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Den Kommerz päppeln

■ Die ehemalige Geschäftsführerin der europäischen Vertriebsförderung EFDO Ute Schneider über das Ende ihres Vereins und die neue EU-Film-Politik

Seit 1988 gab es das European Film Distribution Office (EFDO) in Hamburg: acht Jahre erfolgreicher europäischer Vertriebsförderung, die trotz der Anbindung an Brüssel und EG-Gelder in einem demokratischen, selbstbestimmten Modell funktionierte. Hier wurde der kostspielige internationale Vertrieb europäischer Filmprojekte unterstützt: EFDO konnte aus europäischen Fördermitteln 50 Prozent der sogenannten „Verleihvorkosten“ als bedingt rückzahlbare Darlehen vorfinanzieren. Zu den Verleihvorkosten zählen etwa die Ausgaben für Untertitelung und Synchronisation, aber auch für Werbung, die immer notwendiger wird, je unbekannter ein Filmemacher aus einem anderen Land ist.

Fast 300 Filme wurden seit Oktober 1988 auf diese Weise gefördert, weit über 1000 Verleihvorgänge bearbeitet. Mit dem Ende des auf fünf Jahre angelegten medienpolitischen Media-1-Programms der EU-Kommission kam für die EFDO – einem der Grundpfeiler von Media-1 wie der europäischen Medienlandschaft der letzten Jahre – nun das Aus. Für die nächsten Jahre scheint die EU-Kommission Strukturen vorzuziehen, die weniger selbständig arbeiten und für die Einflüsse aus Brüssel offener sind. Zum Ende europäischer Vertriebsförderung in Hamburg sprach die taz mit Ute Schneider, der ehemaligen Geschäftsführerin der EFDO.

taz: Die EFDO war als erstes Projekt im europäischen „Media-1-Programm“ der EU-Kommission funktionabel. Im nun anlaufenden „Media-2-Programm“ ist sie nicht mehr dabei. Was ist geschehen? Die Arbeit von EFDO war doch sehr erfolgreich.

Ute Schneider: Wir waren erfolgreich, unsere Arbeit wurde anerkannt. Auf der anderen Seite muß man sehen, daß wir ein sehr basisdemokratisches Modell hatten, mit diesem Verein, dem mehr als 130 Mitglieder aus ganz Europa angehören, was natürlich eine Meinungsfindung und eine Organisation nicht immer einfach macht. Aber das hat eigentlich sehr gut funktioniert. Wir waren international strukturiert, mit einem siebenköpfigen Vorstand aus sieben Ländern.

Aber das „Media 2-Programm“ ist in der Tat von der Philosophie her ganz anders aufgebaut als „Media 1“. Ganz bewußt – und da kann man nun kritisch hinterfragen, warum – sind die selbstverwalteten Modelle von vornherein ausgeschlossen worden. Das betraf ja nicht nur EFDO. EFDO, wie es jetzt als Verein existiert, war plötzlich nicht mehr antragsberechtigt, denn Bedingung für die Bewerbung war, daß die Förderempfänger nicht Teil der Struktur sind. An der Trägerstruktur, der administrativen Struktur, dürfen keine Profis, keine Filmleute mehr beteiligt sein.

Die EFDO hat sich trotzdem wieder beworben?

Das wurde aus zwei Gründen sehr kompliziert: Einerseits mußten wir, wenn wir uns für die Abwicklung der Verleihförderung wieder bewerben wollten, neue Strukturen schaffen und Firmen bilden. Das haben wir sogar gemacht. Andererseits sollen mit dem „Media-2-Programm“ alle in Europa verteilten Modelle, die in den Bereichen Distribution, Training und Projektentwicklung existierten, unter einem Dach die gesamten Maßnahmen abwickeln. Diese Maßgabe ist vor allem für die Verleihförderung problematisch, denn hier gab es die Kinoverleihförderung in Hamburg, die Fernsehvertriebsförderung in München und die Videovertriebsförderung in Dublin.

Auch die Förderung an sich soll sich ändern.

Das war unser Stolperstein. Von französischer Seite wurde ein zweites Fördersystem vorgeschlagen: die „automatische Verleihförderung“, die sich von unserem System dadurch unterscheidet, daß Verleiher für neue Filme immer entsprechend ihrer bisherigen Erfolge mit europäischen Filmen an den Kinokassen Gelder bekommen. Dadurch werden die Gelder natürlich immer stärker den erfolgreichen Verleihern zugeschoben. Die schon viel haben, bekommen jetzt noch mehr.

Wir als EFDO-Vorstand und Geschäftsführung haben uns von Anfang an sehr kritisch gegenüber dieser Förderung verhalten. Dieses zweite Fördermodell ist nun offiziell Teil des „Media-2-Programms“. In der Ausschreibung für die technische Abwicklung ist das natürlich auch ein Teil der Aufgaben gewesen. Und dadurch, daß dieser Vorschlag von französischer Seite kam, haben die Franzosen da stark mitgemischt. Ihre Lobby-Systeme sind viel ausgeprägter als bei uns – insbesondere im Filmbereich. In Frankreich hat der Film einen ungeheuren politischen Stellenwert, was er bei uns eher nicht hat.

Trotzdem wollte die EFDO mitbieten.

Meine Aufgabe war es, daß ein Büro hier in Hamburg für die Verleihförderung weiterexistiert. Wir haben mit viel Mühe im ersten Schritt der Ausschreibung ein Konsortium gebildet, wo wir die französische Seite eingebunden haben, auch die Fernsehförderung in München und die Videoförderung in Dublin, und haben auch noch das von der Kommission gewünschte Koordinationsbüro in Brüssel vorgeschlagen. Dieser gemeinsame Vorschlag ist abgelehnt worden. Das Konsortium fiel dann auseinander und es wurden konkurrierende Angebote abgegeben. Darunter eines aus Hamburg.

Das war – bei einem Volumen von 1,3 Millionen – um 12.000 Ecu teurer als der Gegenvorschlag. Das kam uns doch sehr seltsam vor. Nun befindet sich die ganze Verleihförderung unter französischer Leitung in Brüssel.

Und soll ein reiner Verwaltungsposten sein?

Richtig. So wie die Kommission in Zukunft zwar mit Hilfe einer beratenden Jury die endgültigen Entscheidungen selbst treffen will, hat sie auch bei der Wahl dieser sogenannten „intermediären Organisationen“ – so heißen die Verwaltungsinstitutionen in Zukunft – rein administrative Teams an Land gezogen, die Zuarbeiter sein werden.

Nach all dem, was passiert ist, muß ich schließen, daß eine kreative Expertise eigentlich nicht mehr gewollt wird. Das man einem inhaltlichen Mitdenken und dem kritischen Betreuen dieses Programms aus dem Weg gehen wollte.

Was bedeutet das alles für Hamburg?

Einen großen Verlust, vor allem auch an Arbeitsplätzen. Wir waren hier in Hamburg acht Jahre lang die Schnittstelle für den europäischen Filmverleih. Wir haben inhaltlich, administrativ und organisatorisch mitbestimmt. Dadurch hatte Hamburg filmpolitisch in Europa ein starkes Gewicht.

Aber das, was wir waren, wären wir nun ja sowieso nicht mehr gewesen. Die zukünftigen Strukturen sind reine Sub-Administrationen der EU-Kommission. Die inhaltliche Verantwortung, die Unabhängigkeit, die wir in der Vergangenheit hatten, werden diese Strukturen nicht mehr haben.

Sie werden auf der anderen Seite sehr viel stärker unter dem Druck von Lobbyisten sein – das sieht man ja schon an der Entscheidungsfindung. Auf der einen Seite hat Hamburg etwas verloren, aber die Stadt kann auch stolz darauf sein, daß wir acht Jahre lang dieses Flaggschiff des „Media-1-Programms“ hier hatten.

Jetzt muß das Nachfolgeprogramm erst einmal beweisen, wie es funktioniert, und ob es ähnlich kompetent weitergeht. Ich habe da große Zweifel.

Fragen: Thomas Plaichinger

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