Technologische Tricks und politische Sabotage

■ Warum die Autokonzerne zwar viel für die Entwicklung umweltfreundlicher Autos unternehmen, doch ihre Ideen am liebsten in den Schubladen behalten

VW-Sprecher Hartmut Hoffmann verblüfft uns ein wenig: „Die Kunden wollen heute sparsamere Autos, das ist der Trend.“ Hatten nicht die Autohersteller immer gesagt, ihre Kunden wollten viele PS unter der glitzernden Haube und eine Beschleunigung, die nur Kondensstreifen zurückläßt? Und jetzt erklärt VW, daß seine Neuwagen heute nur noch knapp sieben Liter brauchen, vor sechs Jahren seien es noch knapp acht gewesen.

Doch „Performance“, wie das Automenschen nennen, und geringer Spritverbrauch sind für die Autoindustrie kein Gegensatz mehr. Und Sparsamkeit läßt sich in einigen Nischen mittlerweile gut verkaufen. So plant VW bis zum Jahr 2000 einen viersitzigen Diesel, vielleicht sogar kleiner als der Polo. Mercedes will mit der Smartcar und einer Dieselversion der A-Klasse präsent sein, und auch Opel und Ford haben entsprechende Modelle angekündigt. Gemeinsame Botschaft: Beim Dreiliterauto wollen sich die Autokonzerne zumindest propagandistisch die Butter nicht vom Brot nehmen lassen.

Gleichzeitig aber versuchen die Konzerne hinter den Kulissen die Nische für Sparmobile so klein wie möglich zu halten. BMW ist dabei am ehrlichsten. Das Dreiliterauto sei für den Konzern und für das Spritsparen nicht so wichtig. „Das wird ein so kleines Segment sein da unten, das macht sich nicht bemerkbar“, so BMW-Sprecher Alfred Broede gestern. BMW werde selbst auch mit Sicherheit kein Dreiliterauto bauen, „höchstens wenn Rover einen Dreiliternachfolger für den Mini anbietet“.

Und VW demonstriert die Untiefen der Sparsamkeitsphilosophie am Golf TDI. Der Konzernsprecher verweist stolz darauf, daß der relativ sparsame Golf TDI eines der erfolgreichsten Modelle des Konzerns ist. „So erfolgreich, daß wir jetzt ein zweites Modell auf den Markt bringen.“ Doch das neue Modell ist nicht etwa noch sparsamer, es hat schlicht 20 PS mehr und braucht deshalb mehr Sprit als der alte TDI.

VWs Modellentscheidung wirkt nur auf den ersten Blick absurd und hat viel mit Geschäftspolitik zu tun. Für alle großen Autokonzerne weltweit gibt es zwei prinzipielle Motive, sparsamere Automobile zu konstruieren. Das eine Motiv sind schon vorhandene Kunden. Wenn Umweltbewußte, Zweit- und Drittwagenfahrer irgendwo auf der Welt einen Markt für spritsparende Kleinwagen hergeben, wollen und werden die Konzerne dabeisein. Familienlimousine, Spaßauto und Sparauto sind dann gleichzeitig im Programm. Hauptsache, die Gesamtzahl der Autos steigt, und der Gewinn stimmt. Das zweite Motiv ist drohende politische Unbill auf einem der wichtigen Automobilmärkte der Welt. Dazu gehört aktuell die Forderung nach Drei- oder Fünfliterautos in Europa. Dazu gehören zum anderen gesetzliche Regelungen, mit denen der US-Bundesstaat Kalifornien 1992 die Autoindustrie verdonnerte, ab 1998 sogenannte „Null- Emissions-Autos“ anzubieten.

Ähnlich unangenehm klingt für die Autobauer der Vorschlag des früheren deutschen Umweltministers Klaus Töpfer, man könne doch für die Autos der Zukunft einen Durchschnittsverbrauch festlegen. Zum Beispiel dürften dann alle Autos, die in Europa neu auf den Markt kommen, im Jahr 2005 nicht mehr als fünf Liter auf 100 Kilometer verbrauchen. Als die EU-Kommission in diesem Frühjahr die Idee in geltendes Recht umsetzen wollte, intervenierten die Chefs der deutschen Autoindustrie beim Kanzler. Der schickte die neue Umweltministerin Angela Merkel vor, den Spritsparbeschluß der EU-Kommission wieder zu kippen. Der britische und die französische UmweltministerIn machten wegen des Drucks ihrer heimischen Autoindustrie gerne mit. Die Mischung aus technologischen Anstrengungen und politischer Sabotage funktionierte: Der Fünfliterstandard wurde von 2005 auf 2010 verschoben, wie auch die amerikanischen Autokonzerne erreicht haben, daß sie die Null-Emmissions-Autos erst im Jahr 2002 anbieten müssen statt schon 1998. Und im April trafen sich europäische und amerikanische Autoindustrielle in Washington mit amerikanischen Regierungsbeamten und EU-Kommissaren, um für die Zukunft solchen regulatorischen Alleingängen vorzubeugen.

Gleichzeitig aber haben die Konzerne den Technologiewettlauf gestartet. Lucy Edmonton, die in der Umweltbehörde des US- Bundesstaates Massachusetts die Verkehrspolitik koordiniert, hat beobachtet: „Vor der Einführung des kalifornischen Gesetzes gab es ein neues Patent pro Monat für Elektroautos, jetzt sind es vier am Tag.“ Einen ähnlichen Trend beobachtet auch Rainer Osterwalder vom Europäischen Patentamt.

Doch nicht allein dieses: Die drei großen Autokonzerne aus Detroit, General Motors, Ford und Chrysler, taten sich mit Hilfe aus Washington zu einem Batteriekonsortium zusammen, das neue Elektrobatterien entwickeln soll. General Motors und Toyota bringen in diesem Jahr je ein Elektroauto in Serienfertigung auf den Markt. Der Stromflitzer wird allerdings nicht verkauft, sondern ist nur per Leasing zu haben. „Wir wollen unsere Kunden nicht mit der neuen Technologie allein lassen“, so die Firmenphilosophie. Zu guter Letzt hat General Motors, der weltgrößte Autohersteller, sogar Ökoguru Amory Lovins ein völlig neues Auto basteln lassen. Die Kiste brauchte nur 1,9 Liter auf 100 Kilometer, in Serie gebaut wird sie deshalb noch lange nicht.

Auf die politische Bedrohung zielen auch die Zukunftsprojekte der deutschen Autobauer ab. Für die beiden Luxus-Auto-Hersteller BMW und Mercedes ist die Wasserstofftechnologie der Energielieferant für den Verkehr von übermorgen. „BMW hat mit der Wasserstoff-Forschung schon vor 20 Jahren angefangen“, so Broede. „Rein technisch könnten sie deshalb heute einen 7er BMW mit Wasserstoff fahren.“

Doch die Idee mit der Wasserstoff-Luxuslimousine zeigt die Probleme, die solche Zukunftskonzepte bergen. Bislang existieren weder eine erprobte Technologie zum Betanken der Fahrzeuge noch genaue Vorstellungen, wie eine Tankstelleninfrastruktur für eine solche Wasserstoff-Wirtschaft gewährleistet werden könnte.

Noch mehr Zukunftsmusik ist die Brennstoffzellentechnologie, bei der Mercedes kürzlich einen Durchbruch demonstrieren konnte. Der Kleintransporter, den die Stuttgarter präsentierten, fuhr zwar tadellos, aber es mußte eben ein Kleintransporter sein wegen des Platzbedarfs für die Brennstoffzellen. Bis zur Serienreife, räumen auch die Mercedes-Ingenieure ein, dauert es noch wenigstens 15 Jahre. Hermann-Josef Tenhagen