Ideen aus dem Hinterhof

Möbel recycelt, aus Plastik oder aus Stahl: Hamburger Kleinstbetriebe fertigen Tisch und Bett – weitab vom Ikea-Charme  ■ Von Knut Henkel

Angefangen haben sie in einer kleinen Werkstatt oder Lagerhalle in einem der zahlreichen Hamburger Hinterhöfe. Die einen widmeten sich der Über- oder Umarbeitung alter Möbel, andere machten sich daran, eigene Möbel-Entwürfe umzusetzen und mit eigenwilligen Materialien zu experimentieren. Erste kleine Aufträge für die Ausstattung von Bars, Restaurants oder Geschäften kamen, und irgendwann wurde es eng im Hinterhof. Es fehlte an Ausstellungsfläche und Lagerkapazität – Zeit, das Schattendasein zu verlassen.

Besonderes Glück hatten Henrik Schulte und Peter Prill: Sie konnten ihre Werkstatt um einen Verkaufs- und kleinen Lagerraum erweitern und eröffneten im Mai ihre Moeblerie Konus in der Bahrenfelder Straße. Dort findet sich – neben Eigenkreationen wie CD-Ständer, Regale, Kleiderständer oder Tische, alles in kleinen Stückzahlen und individuell auf die Wünsche der Kunden ausgerichtet – vor allem Recyceltes.

Aus alten Autoscheinwerfern werden Stehlampen, Metallschränke aus dem ärztlichen Behandlungszimmer schmücken gesandstrahlt und frisch lackiert statt der Praxis das Wohnzimmer. Ausrangierte Kühlschränke werden entweder wieder ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt oder finden sich als Küchenschrank oder Musicbox wieder. Bevorzugte Stilrichtung sind hier wie bei den zahllosen Schreibtischlampen, Toastern, Mixern und Shakern die dreißiger und fünfziger Jahre.

Anders bei Wohnkultur 66. Erst vor wenigen Tagen, am 1. August, eröffneten Anna Martina Münch und Manfred Werner ihr neues Domizil in der Sternstraße. Den engen Hinterhof in der Susannenstraße haben sie gegen die geräumige ehemalige Schlachthofhalle getauscht, in der sich Designermöbel der 70er zwischen Barockschränken und eher ländlichen Wohnattributen drängeln. Da leuchten grell orangefarbene Lampen über quietschgelben Tischen – Einzelstücke von Charles Eames, Werner Paton oder Harry Beroia, den großen Designern aus jener Zeit – geben sich hier ein Stelldichein. Die Lampen, Tische und Stühle, die gekauft, aber auch für den privaten oder professionellen Videoclip ausgeliehen werden können, haben eines gemeinsam: Sie sind aus Plastik.

Um Platz im übervollen Lager zu schaffen, sollen am 24. August mit einem „70er-Trash-Sale“ Lampen, Vasen oder Teppiche unter die Leute gebracht werden. Zum Verkauf steht auch das derzeitige Paradestück von Wohnkultur 66: ein Rennwagen aus dem Jahre 1939.

Mit Plastik hat Rafael Visse nichts am Hut. Ideen aus Stahl verwirklicht er in seiner Hinterhof-Werkstatt in der Schanzenstraße. Bei ihm ist der eigene Laden noch Zukunftsmusik, „aber lange wird es hoffentlich nicht mehr dauern“. Die ersten Ausstellungsstücke sind im Schaufenster des Vorderhauses bei Wein & Boules zu bewundern. Das gesamte Interieur des Weinladens ist unter seinen Händen entstanden: Tische, Regale, Lampen oder der Verkaufstresen. Stahl kombiniert er mit Holz, Granit oder Leder und hat vom Regal übers Bett bis zum Sofa schon alles gebaut. Häufig für Leute, die bereits sehr genaue Vorstellungen haben, wie ihr Schreibtisch oder Bett aussehen soll. Aber auch Unentschlossene, die außer dem Wunsch nach einem neuen Möbelstück wenig zu bieten haben, sind bei Rafael Visse in guten Händen, denn „Ideen lassen sich sehr gut gemeinsam entwickeln“.

Demnächst wird auch er seinen Hinterhof verlassen. Die Werkstatt ist zu klein geworden, und in den neuen Räumen ist dann wenigstens genug Platz, um neue Ausstel-lungsstücke zu bauen.

Konus-Moeblerie, Bahrenfelder Straße 59;

Wohnkultur 66, Sternstraße 66;

Ideen aus Stahl, c/o Schanzenstraße 12 bei Wein & Boules