■ Filmstarts à la carte: Rostbraun, von der Sonne verwöhnt
Nach wie vor zu loben und preisen ist die Western-Reihe des Zeughaus-Kinos, in der heute abend gleich zwei Grandiositäten vorgeführt werden, nämlich zum einen Clint Eastwoods Erbarmungslos, zum andern The Wild Bunch von Sam Peckinpah. Es überraschte allenthalben, daß Eastwood mit dieser zerknuffelten Angelegenheit einen Oscar gewann, aber im Gegensatz zu vielen Leuten, die der Academy solche Entscheidungen eigentlich gar nicht zutrauen, ist Hollywood nicht in den fünfziger Jahren stehengeblieben.
Es beginnt in einem Bordell mitten im wüsten Oklahoma. Alles ist in traurigem Rostbraun gehalten, Herbststimmung, von der Sonne verwöhnt. Kerzenlicht. Verklammerte Paare, lautes Stöhnen, Unterrockspitze – plötzlich zieht ein durchgeknallter Freier seiner Partnerin mit dem Messer übers Gesicht. Gene Hackman, der für diese Nebenrolle ebenfalls einen Oscar bekam, vertritt das mürbe gewordene Gesetz, das den Frauen eine gerichtliche Bestrafung des Mannes verweigert: Täterschützer am Werk! So bleibt ihnen nur die Selbstjustiz. Sie legen zusammen für einen gedungenen Killer; jemand findet Clint Eastwood auf einer verfallenen Ranch, mit zwei Kindern und ohne Frau. Er, der einmal als der schnellste Colt der Gegend galt, kommt inzwischen nicht einmal mehr auf sein Pferd; er findet den Weg nicht, hat Angst, ist eh innerlich dagegen... Ein Loser-Western für die Post- Reagan-Ära, ein Autorenfilm vom Stamme Peckinpah.
The Wild Bunch hingegen gehört zu den Western, die eigentlich schon längst Vietnam behandeln, ohne es je offen beim Namen nennen zu können. Peckinpah holt den Konflikt heim, wie es ja dann in Filmen wie The Deer Hunter fortgesetzt wurde und kunstvoll seinen Höhepunkt in den vielen Vietnam-Filmen erreichte, in denen dann kaum noch Vietnamesen zu sehen sind.
Heute mag es einem ein wenig eisensteinmäßig vorkommen, aber damals beeindruckte die Eingangsmontage sehr, die ständig zwischen einem Skorpion im Ameisenhaufen und dem heranreitenden Wild Bunch hin und her schneidet. Der Skorpion, den man ja geneigt ist, für den Oberkiller unter den Füßlern zu halten, wird hier zerfressen wie ein weiches Stück Banane, wie Amerika im vietnamesischen Dschungel.
Die Pikareske denkt man sich als „Ost“-Genre, als eine Erzählform, passend für die DDR, weil man dort ja auch schließlich den braven Soldaten Schwejk verehrte. Karbid und Sauerampfer von Frank Beyer („Spur der Steine“) aus dem Jahr 1964 folgt einem Arbeiter, der dringend für sein Kombinat noch sieben Fässer Karbid durch die Republik fahren muß. Die hauchzarte Belustigung über die russischen Freunde meint es keineswegs böse, was in jenen Jahren auch schon nicht mehr angesagt war, denn man erwartete von der DEFA eine sattelfeste Affirmation des Bestehenden im wahrsten Sinne des Wortes, insbesondere nämlich der Mauer. Insider berichten, daß man in Babelsberg auch auf „überraschend viel Verständnis“ gestoßen sei. mn
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