Wohnkonzepte aus der Computerkiste

■ Innenarchitektur am PC ist eine nette Spielerei, aber teuer und wenig individuell

Es sollte das Traumhaus werden. Durchgestylt vom Keller bis zum Kaffeelöffel, hatten sie ihrem Architekten gegenüber anklingen lassen. Doch nach dem Rohbau war das Geld fast alle. So saßen ihre Gäste bei der Einweihungsparty Rotwein schlürfend auf, vor und zwischen netten Allerweltsmöbeln aus dem nahe gelegenen Einrichtungshaus. Immerhin waren sie trotzdem guter Laune. Bis auf den Architekten vermutlich.

„Nur vom Innenausbau“, sagt Uwe Völcker, Architekt aus der Warschauer Straße im Bezirk Friedrichshain, „kann in unserer Branche heutzutage keiner mehr leben.“ Selbst Designer hätten immer seltener Gelegenheit, Gegenstände speziell abgestimmt auf spezielle Räume zu entwickeln.

Die Zahl der Bauherren, so Völcker, die von sich aus erkenne, daß ein Foyer die Handschrift eines Architekten vertrage, sei enorm zurückgegangen. Im privaten Bereich leisten sich nur wenige BerlinerInnen diesen Luxus. Zuwenig Geld, zu viele Anbieter, die kaum, daß ein Gebäude halb hochgewachsen ist, für alles „eine günstige Paketlösung“ parat haben. Und gibt es womöglich bald sogar Innenarchitektur am Computer für jedermann? Den Axel Schultes unter den Innenarchitekten – dem Berliner Stararchitekten wird beim Hochbau bereits die Entwicklung einer eigenen Computerästhetik nachgesagt – sucht man ohnehin vergeblich. Stirbt der Beruf am Ende sogar aus?

Da hat Völcker keine Bedenken. Aber am PC nur Möbel hin- und herzuschieben, wie das in Laienzeitschriften à la Schöner Wohnen angepriesen werde, sei nichts als Spielerei. „Das ist großer Humbug. Da kann man genauso wie früher Milimeterpapier ausschneiden und hin- und herschieben.“

Auch der Blick auf die schöne neue Ledercouch, den der Kunde beispielsweise bei „Hütter's Welt“ am Computer werfen darf, habe mit Innenarchitektur per PC wenig zu tun. „Aber um ein Haus in seiner Gesamtheit zu erfassen, ist tatsächlich nur komplex am Computer möglich. Zig Zeichnungen reichen da nicht. Dazu kann ich auf CD-ROM von allerlei Herstellern zum Beispiel Möbel nehmen und weiß auf den Zentimeter genau, wo läuft ein Wasserrohr, wo sitzt eine Steckdose, welche Muster könnten die Fliesen einmal haben. Das kommt meinen Vorstellungen vom Innenausbau dann schon sehr nahe.“ Natürlich, so Völcker, gäbe es mittlerweile Software, die eine Wohnung oder ein Haus so visualisieren können, daß man das Gefühl hat, vor Ort zu sein. Für Völcker mehr ein hübscher Werbegag. Zumal dadurch ein Architekt nicht automatisch mehr Ideen habe. Und selbst ein Video garantiert letztlich nicht, daß die Vorstellungen des Architekten auf der Baustelle oder in der Wohnung genau umgesetzt werden.

Zudem sind solche Computersimulationen sehr teuer. „Deshalb lohnt es sich selbst für Architekten oft nicht, die Programme anzuschaffen.“ Allerdings: Arbeiten am Computer, mit Computer Aided Design (CAD), ist imagebildend. „Wer heute ausschließlich per Hand zeichnet, ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit“, sagt Völcker, „auch wenn kleinere Aufgaben schneller mit der Hand als am PC zu bewältigen sind.“

Einer, der in seinem Leben noch nichts am Computer entworfen hat, ist Karlheinz Wendisch. Für den Bund deutscher Innenarchitekten könne er daher nicht sprechen, nur als freischaffender Innenarchitekt, als der er seit 1962 arbeitet. „Ich will die moderne Technik auf keinen Fall verdammen. Besonders beim Ändern von Zeichnungen ist der Computer sicher ein großer Gewinn. Aber mich stört, daß vor allem jene Industrien so stark mit Software auf den Markt drängen, die Halbfabrikate anbieten.“ Ob Fenster, Türen, Fußbodenfliesen oder Sanitärobjekte, alles liegt vorgefertigt auch für den Architekten parat. Mit drei, vier Handgriffen könne dieser die Standards auf dem Bildschirm in die Entwürfe einpassen.

„Es wird nicht mehr darüber nachgedacht, für wen und zu welchem Zweck die Dinge hergestellt werden müssen.“ Der Charakter eines Gebäudes könne kaum noch gewürdigt werden. In Krankenhäusern oder Kliniken spreche man immer seltener von „angstfreier Milieugestaltung“, sondern oft nur von Zeit und Kosten. Ob Häuser, Büros oder Hotels, aus innenarchitektonischer Sicht produziere die Arbeit am Computer mehr Mittelmaß, fürchtet Wendisch. Nicht zwangläufig, da vieles von dem Benutzer abhänge.

Doch ein Haus, eine Wohung, die man bearbeitet, auch umfassend zu begreifen, das sei am PC kaum möglich. „Dazu muß man jeden Winkel des Hauses durchstreifen, jede Linie per Hand zeichnen“, sagt der Innenarchitekt. Am Computer bleibt Architektur oft anonym. Für innenarchitektonische Massenware ist er eben nicht zu haben. Kathi Seefeld