: Drei Nationalisten führen in Bosnien
■ Muslime, Kroaten und Serben haben bei den Präsidentschaftswahlen mehrheitlich für die Kandidaten der herrschenden Parteien ihrer Region gestimmt. Im Bundespräsidium werden die drei zusammenarbeiten müssen
Sarajevo (dpa/AFP/taz) – Die drei nationalistischen Kandidaten für die bosnische Präsidentschaft liegen nach ersten Teilergebnissen weit in Führung. Dies teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gestern mit. Wahlsieger sind daher voraussichtlich der bosnische Präsident Alija Izetbegović, der bosnisch-serbische Parlamentspräsident Momcilo Krajisnik sowie der Präsident der muslimisch-kroatischen Föderation, der Kroate Kresimir Žubak.
Izetbegović liegt auf muslimischer Seite deutlich vor seinem Rivalen Haris Silajdžić. Nach einer ersten Teilauszählung von zwei Wahlkreisen in Sarajevo erhielt Izetbegović über 30.000 Stimmen, während für Silajdžić nur knapp 8.000 Stimmen abgegeben wurden.
Erster amtierender Präsident des dreiköpfigen bosnischen Bundespräsidiums wird der Kandidat, der auf dem gesamten Gebiet Bosniens – sowohl in der serbischen Teilrepublik als auch in der kroatisch-muslimischen Föderation – die meisten Stimmen erhält. Angesichts der Konkurrenz von Izetbegović und Silajdžić ist nicht auszuschließen, daß der Serbe Krajisnik der erste Nachkriegspräsident des Landes wird. Nach ersten Auszählungen in vier überwiegend serbischen Wahlbezirken hat Krajisnik nach OSZE-Angaben 92 Prozent der Stimmen erhalten. Krajisnik gilt als Gegner des Dayton-Friedensabkommens und Befürworter einer Abspaltung der Serbischen Republik.
An den ersten Nachkriegswahlen in Bosnien haben sich nach Angaben der Vereinten Nationen deutlich weniger Menschen beteiligt als zunächst angenommen. UN-Sprecher Alexander Ivanko erklärte, lediglich 13.500 Muslime seien am Samstag über die Grenzen zur Wahl in ihre Heimatorte in serbisch kontrolliertes Gebiet zurückgekehrt. Nur 1.200 Serben seien in von Muslimen und Kroaten kontrolliertes Territorium gereist. Bisher war von 4.000 die Rede. Auch in der serbischen Region wurden die Angaben über die Wahlbeteiligung nach unten korrigiert. Ein OSZE-Sprecher in Banja Luka sagte, die Wahlbeteiligung habe bei rund 70 Prozent gelegen und nicht, wie bislang angenommen wurde, bei 85 Prozent.
Gegen den Wahlverlauf wurden bis jetzt 75 Beschwerden von Bosniern eingelegt. Auch unabhängige Beobachter verschärften gestern ihre Kritik an den Wahlen. Schwere technische Fehler bei der Registrierung der Wähler haben demnach mehr als 350.000 Flüchtlinge an der Stimmabgabe gehindert. Die Beschwerdekommission der OSZE werde die Fälle überprüfen, sagte eine Sprecherin der OSZE in Sarajevo. Die OSZE wird einen Bericht über den gesamten Ablauf der Wahlen abgeben, der dann über die Gültigkeit der Wahlen entscheidet. Bericht Seite 8
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