: 17 auf der nach unten offenen Denkmalsskala Von Susanne Fischer
Neulich, am „Tag des offenen Denkmals“, als plötzlich Heimatgeschichte angesagt war, wollte ich mich auch nicht lumpen lassen und hängte ein großes Schild „Hier lang“ an meine Wohnungstür. Als erste schlurfte meine Nachbarin Trutchen herein. Sie markiert ein wandelndes Denkmal für Nachforschungen über ungeklärte Fragen der sozialen Beziehungen in der Nachbarschaft, aber das sagte ich ihr nicht. Ich wies ihr einen unsichtbaren Fleck auf dem Terracotta- Fußboden in meiner Küche, auf den ich eine brennende Kerze gestellt hatte. Geschichte von unten. „Das ist das Denkmal für den unbekannten Apfelauflauf“, erläuterte ich. „Es soll uns zum Nachdenken anregen über das Schicksal der Apfelaufläufe in der Welt. Apfelauflauf – ein schöner, aber ein schwerer Beruf.“ Der Apfelauflauf, dem dieses Denkmal gewidmet ist, bleibt zwar unbekannt, insofern wir seinen Namen nicht wissen. Dennoch gelang es uns, sein Schicksal zu rekonstruieren. Er wurde am 3. Juni von einer nachlässigen Hausfrau fallen gelassen, genau an dieser Stelle. Seine sterblichen Überreste mußten wegen schwerer atmosphärischer Störungen im Haushalt auf dem Komposthaufen bestattet werden. „Hol diin Muul!“, schnaufte Trutchen, „außerdem war das am 4.Juni, als Frau Müller bei dir zu Besuch war. Ich hab's durchs Fenster gesehen.“
Meine museumspädagogischen Bemühungen erprobte ich am Telegrammboten, als ich ihn vor die Regallücke zwang, die uns öffnen soll für das schwere Los verschollener Bücher. Meiner Freundin Heike präsentierte ich dagegen beredt ein Naturdenkmal in Form einer Bettwanze, wobei ich eine Standpauke über zu Unrecht verfolgte Tierarten hielt, in deren Verlauf das Wort Rassismus fiel und sie mir eine scheuerte. Schließlich zerrte ich meinen verzogenen Kater am Hinterbein in die Bude – als Mahnmal für das verkorkste Mensch- Tier-Verhältnis. Er versengte sich die Schnurrhaare am Denkmal für den zerschollenen Apfelauflauf, bevor er wütend seine Spielzeugmaus im Denkmal für das verschollene Buch versenkte. Bei dem Versuch, sie wieder hervorzuzerren, gestaltete er die Regalecke zu einem Erlebnisdenkmal für den verlorengegangenen Sperrmülltag um.
Eigentlch genügte mir das, und ich hatte ja auch längst ausreichend Denkmal- und Gemeinsinn bewiesen, doch brach der Abend des geschlossenen Denkmals leider noch lange nicht herein. Statt dessen kehrte Trutchen mit all ihren Cousinen zurück, also etwa einer Busladung neugieriger Damen weit jenseits der 70, damit sie außer Hans Meiser und Kaffeefahrten auch mal was erleben könnten. Ich wühlte in dem Schrotthaufen, der einmal mein Wohnzimmer gewesen war, förderte eine alte und eine neue Espressomaschine zutage und sprach vom Denkmal für die Wegwerfgesellschaft. Heike redete vom „Tag des offenen Arsches“, aber mir fehlte der Mut zu fragen, was beziehungsweise wen sie damit meinte. Im nächsten Jahr, soviel ist sicher, bin ich das Denkmal des Wochenendkurzurlaubers. Heike muß dann im Heimatmuseum historisches Brot backen, und der Kater kann mit Hans Meiser, Trutchen, den Cousinen und einem Kaffeefahrtbus das Denkmal der siegreichen Kreatur darstellen, indem er den Schlüssel von außen abzieht und im Komposthaufen-Denkmal versenkt.
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