: Kein Land. Nirgends.
■ Rumänisch-algerisches Ehepaar mit Kindern wurde durch Abschiebung getrennt
Daß sich Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern ineinander verknallen und miteinander Kinder machen, ist vom deutschen Gesetz nicht vorgesehen. Familie S. – er Algerier, sie Rumänin, zwei gemeinsame Kinder, als Asylbewerber abgelehnt – soll auf Dauer auseinandergerissen und auf verschiedene Staaten verteilt werden.
Mariana S. wurde mit dem dreijährigen Sohn und der anderthalbjährigen Tochter bereits am 9. September nach Rumänien abgeschoben. Mohamed S. sitzt nach zwei gewaltsamen, aber letztlich vergeblichen Abschiebeversuchen nach Algerien derzeit wahrscheinlich in der Berliner Abschiebehaft Grünau.
Womöglich grübelt der junge Algerier über das Motto des heute bundesweit begangenen „Tags des Flüchtlings“ nach: „Der Einzelfall zählt“. Der Familie S., die in einem Asylbewerberheim im brandenburgischen Neuruppin wohnte, hätte tatsächlich nur eine humanitäre Einzelfallentscheidung helfen können. Rein rechtlich war ihre Sache aussichtslos, seit die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ihre Asylgesuche im Mai 1995 abgelehnt hatte.
Seitdem wurde das Ehepaar von der Ausländerbehörde in Neuruppin zur Ausreise gedrängt, doch es weigerte sich, weil es schlicht nicht wußte, wohin. „Er bekam von der algerischen Botschaft keinen Paß, mit dem er ein Visum für Rumänien bekommen hätte, sie konnte nicht nach Algerien“, berichtet der katholische Gefängnispfarrer Bernd Günther, der Mohamed S. in der Abschiebehaft Grünau betreute. Auch die Ausländerbehörde gibt zu, es sei ihr nicht gelungen, gemeinsame Ausreisepapiere für die Familie zu beschaffen: „Das war aussichtslos.“ Also wurde in den Bürokratenhirnen die Trennung der Familie beschlossen.
Am 9. September um vier Uhr morgens erschien die Polizei im Wohnheim. Mariana S. durfte nach Darstellung des Gefängnispfarrers nicht einmal mehr Papiere oder Kleider für die Kinder einpacken. Nun sitzt sie ohne Papiere und ohne Wohnung in Rumänien, ihre Kinder sind namenlos, ihre Ehe ist nicht nachweisbar. Mohamed S. wurde nach einem Tag Polizeihaft zum Flughafen gebracht, er sollte über Istanbul nach Algerien gebracht werden. Als er sich wehrte, „wurde er am ganzen Körper gefesselt, mußte teilweise auf dem Boden liegen, den Mund mit Klebeband zugeklebt und mit einem Motorradhelm über dem Kopf“, sagt sein Seelsorger. „Er wurde von fünf BGS-Beamten begleitet und hart herangenommen, auch geschlagen.“
Das Flugpersonal verweigerte den Weitertransport des sich heftig wehrenden Gefangenen, er wurde zurück nach Berlin gebracht. Ein zweiter Abschiebeversuch am letzten Montag verlief ähnlich. Mohamed S. wollte nicht nur seine Familie wiedersehen, er hatte auch begründete Angst, für Jahre in einem algerischen Knast zu verschwinden – wegen Nichtableistung des Militärdienstes.
Die brandenburgische Ausländerbeauftragte Almuth Berger hat inzwischen eine Petition an den Landtag formuliert. „Gilt Artikel 6 des Grundgesetzes (Schutz der Familie, d. Red.) nur für Ehen, in denen mindestens einer der beiden Ehepartner deutscher Staatsangehöriger ist?“ fragt sie in einer Pressemitteilung zum Thema „Der Einzelfall zählt“. Ute Scheub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen