Wo entstanden die ersten Flammen?

Prozeß um die Brandkatastrophe in Lübecker Flüchtlingsheim: Befangenheitsantrag gegen Brandschutzexperten abgelehnt. Zeugen sahen erste Flammen im ersten Stock  ■ Aus Lübeck Jan Feddersen

Ernst Achilles, Feuerexperte aus Frankfurt am Main, bleibt dem Verfahren um die Lübecker Brandkatastrophe vom 18. Januar erhalten. Den von Staatsanwalt Michael Böckenhauer unterstützten Befangenheitsantrag des für die Familie El-Omari tätigen Nebenklägeranwalts Wolfgang Clausen gegen den früheren Frankfurter Oberbranddirektor wiesen die Richter zurück.

Richter Rolf Wilcken ließ wie erwartet die Gründe des Antrags nicht gelten. Weder fand er plausibel, daß die Neutralität Achilles' durch seine frühe Tätigkeit für die Verteidigung des Angeklagten Safwan Eid beeinträchtigt sei, noch fand er die Befürchtung bedrohlich, daß der Hesse vornehmlich ein Brandschutzexperte sei – und nicht einer, der Brände nachträglich rekonstruieren könne. Der Vorsitzende Richter sagte, daß „unterschiedliche Betrachtungen“ dem Prozeß durchaus dienlich „scheinen“.

Zuvor hatte der Hamburger Anwalt Jan Torsten Mohr, Nebenklagevertreter unter anderem von Gustave Sossou und Evariste C. Amoussou, eindrücklich das Vertrauen seiner Mandanten in Achilles begründet. Der Frankfurter hatte – anders als seine Expertenkollegen vom Landeskriminalamt in Kiel – früh für möglich gehalten, daß der Brand, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen, nicht unbedingt im ersten Stock des Flüchtlingsheims an der Hafenstraße 52 ausgebrochen sein muß.

Trotzdem muß das Mandat für Achilles nicht unbedingt als kleiner Sieg für den Angeklagten gewertet werden: Der Brandexperte hatte nämlich keineswegs in seinen ersten Stellungnahmen nach dem Brand gesagt, daß das Feuer im Vorbau – was eine Brandlegung von draußen möglich macht – gelegt worden sein muß. Darüber hinaus weist die erste, für die Advokatur Eids gefertigte Expertise von Achilles Widersprüche auf. Die Staatsanwaltschaft, die vermutlich kein echtes Interesse daran hatte, den Brandschutzwissenschaftler vom Verfahren auszuschließen und möglicherweise Clausens Mandanten stärken wollte, wird sich darüber freuen, wenn Achilles seinen Befund vor Gericht vortragen muß. Die Chance jedenfalls, neuerliche Gutachter für die Brandursache zu beauftragen, ist vertan: In die Ruine an der Hafenstraße kann es wie eh und je hereinregnen, geschützt ist sie nicht.

Safwan Eids Anwältin Gabriele Heinecke erklärte gestern trotzdem: „Die bisherige Beweisaufnahme läßt die These zu, daß das Feuer im Flüchtlingsheim durch Dritte unter Verwenden von Brandbeschleunigern auf den hölzernen Vorbau gelegt sein könnte.“ Die gestrige Zeugenvernehmung – drei Feuerwehrleute und zwei Polizisten – erbrachte keine weiteren Indizien für die These Heineckes: Unisono teilten die fünf Männer mit, ihrer Beobachtung nach wären die ersten Flammen in der ersten Etage zu sehen gewesen.

Jörg Metterhausen allerdings, Kripobeamter in der Nachtschicht vom 17. auf den 18. Januar, korrigierte seinen ersten Vermerk aus der Brandnacht. Gestern teilte er auf Befragen Heineckes und Barbara Klawitters mit, daß er im Vorbau des Hauses einen Funkenflug beobachtet habe. Anders als im Januar allerdings hat sein Kollege vom Bundesgrenzschutz dieses Phänomen nicht gesehen.