: VW baut Imperium um
■ Nicht die Verschiebung zu Skoda, ein Strategiewechsel rief Seat-Krise hervor
Der Mittelklassewagen des tschechischen Skoda-Werkes ist auf dem Markt. Der Octavia, der künftig mit dem Audi 3, dem Golf und dem neuen Toledo der spanischen VW-Tochter Seat Chassis und Motor teilt, soll schon im nächsten Jahr mit einer Stückzahl von 64.000 vom Band in Mladá Boleslav rollen. 50 Prozent werden für die Westmärkte produziert.
Als vor drei Jahren das VW-Europakomitee die Entwicklung des neuen Skoda bekanntgab, schlugen die Wellen in Spanien hoch. Seat steckte mitten in der Krise, die Wolfsburger hatten den Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen angeordnet. Für Belegschaften und Gewerkschaften lag die Erklärung auf der Hand. „Im Osten produziert es sich billiger.“ Doch im Werk Martorell bei Barcelona mußte man in den letzten Jahren lernen, daß die Erklärung mit der Süd-Ost-Verschiebung zu kurz greift. Volkswagen baut sein Imperium von Grund auf um. Rationeller und damit billiger produzieren, heißt die Devise von VW-Chef Ferdinand Piäch und seiner rechten Hand in Sachen Produktion und Einkauf, dem Basken José Ignacio López.
Zwar werden die Marken VW, Audi, Seat und Skoda weiterbestehen, doch die Trennung der Produktion ist Geschichte. Die 16 Fahrgestelle mit Motor sollen künftig durch vier verschiedene Typen abgelöst werden. So wird der Toledo ab 1997 nicht mehr in Barcelona, sondern in Brüssel produziert, wo sich VW auf das Grundgestell vom neuem Toledo, Audi 3 und neuem Golf spezialisiert. Martorell stellt fast vollständig auf Seat-Cordoba und Polo um.
Die Einzelmarken zielen nur noch auf verschiedene Käufergruppen, obwohl sie Grundaufbau und Produktionsstätte teilen. VW als der Mercedes der armen Leute, Audi als Gegenstück zu BMW, Skoda mit billigen und zuverlässigen PKWs gegen die asiatischen Importe und Seat in Konkurrenz zu Alfa Romeo, so definiert VW die Markenprofile. Daß dies auch die Gefahr in sich birgt, zuviel Gleiches auf den Markt zu werfen, weist VW-Chef Piäch von sich.
Die Krise bei Seat scheint dem Ende entgegenzugehen. Nach einem Verlust von insgesamt 2,4 Milliarden Mark weisen die Spanier für die ersten acht Monate dieses Jahres wieder Gewinne in Höhe von 32 Millionen Mark aus. Ein Bilanzerfolg, der allerdings nur durch eine einmalige Hilfe von über einer halben Milliarde Mark aus den Kassen der Madrider Regierung und der katalanischen Regionalverwaltung möglich war. Volkswagen wird auch dieses Jahr noch einmal 200 Millionen Mark zuschießen. Ab 1997, so hoffen die Wolfsburger, wird Seat dann alleine Gewinne erwirtschaften. 1996 werden 343.000 PKWs gefertigt, im nächsten Jahr sollen es erstmals wieder eine halbe Million sein, fast so viele wie vor der Krise.
Zahlen, die für die Gewerkschaften einen faden Beigeschmack haben. Ging doch nicht nur der Kampf um die Arbeitsplätze verloren, sondern auch der um den eigenständigen Entscheidungsspielraum der Marke Seat. Durch die neue Produktionsweise wird Wolfsburg allmächtig. Reiner Wandler, Madrid
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen