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„Öffentlichkeit wird instrumentalisiert“

■ Die Kriminologin Monika Frommel kritisiert Verteidigung und Unterstützerszene im Lübecker Brandprozeß: Die Spekulation über ein politisches Großverbrechen ist abwegig

taz: Der Lübecker Prozeß um den Brand in einem Flüchtlingsheim findet eine große Öffentlichkeit – durch Medien, durch viele Zuschauer im Gericht. Was bedeutet das für die Prozeßbetroffenen?

Monika Frommel: Die Beteiligten wissen, daß sie aufmerksam beobachtet werden. Das kann ihre Sorgfalt steigern, aber im Einzelfall auch falsche politische Opportunitäten provozieren.

Was heißt das konkret für den Lübecker Brandprozeß?

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht hätten das Verfahren wohl gerne eingestellt, würden den Angeklagten gar freisprechen, weil der Tatverdacht sich gegen ihn kaum erhärten läßt. Aber nach den schweren Beschuldigungen seitens der Verteidigung müssen sie nun öffentlich demonstrieren, daß sie sachliche Gründe hatten, den Angeklagten in Untersuchungshaft zu nehmen und den Erkenntnissen, die sie hatten, nachzugehen. Sie werden nun länger verhandeln, als sie es bei einer pragmatischen Verteidigung getan hätten.

Hätte das Verfahren vielleicht gar nicht eröffnet werden dürfen?

Es gab einen dringenden Tatverdacht gegen den Angeklagten.

Prozeßbeobachter meinen, daß die Staatsanwaltschaft gegen die Grevesmühlener Jugendlichen nicht genügend ermittelt – und das Verfahren dadurch eine rassistische Zuspitzung erfuhr.

Eine ehrenrührige Verleumdung. Die Staatsanwalt hat sehr darunter gelitten, ein kompliziertes Verfahren führen zu müssen, in dem jemand, der auch Opfer ist, nun plötzlich in Verdacht gerät. Aber sie hatte Anhaltspunkte, denen sie nachgehen mußte. Der richtige Ort, um solche Verdachtsfragen zu klären, ist die Hauptverhandlung. Genau das hat sie getan.

Ohne seine Verteidigerin Gabriele Heineckes wäre Safwan Eid kaum im Sommer aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Richtig, aber es war normal, daß der Angeklagte zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Doch jede gute Verteidigung hätte gesagt, es bestehen für das Hauptverfahren Anhaltspunkte: Der Verdacht ist ausreichend, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich. In Ruhe hätte man dann auf die Hauptverhandlung zugehen können.

Der frühere Anwalt Safwan Eids hat seinen Mandanten nicht aus der Untersuchungshaft freibebekommen.

Das ist eine Leistung, die zeigt, daß Gabriele Heinecke gut tätig war. Weniger angenehm ist, daß sie die Entkräftung des Vorwurfs gegen ihren Mandanten mit der haltlosen Beschuldigung Dritter verknüpft hat. Jugendliche, die man der rechtsradikalen Szene zuordnet, kann man nicht einfach als Verdächtige darstellen. Das tut ein Organ der Rechtspflege nicht.

Manche Unterstützer des Angeklagten vergleichen das Verfahren mit dem Reichstagsbrandprozeß.

Das kann ich nur noch als abwegig bezeichnen. Der tragische Vorfall hat vielleicht noch ganz andere Hintergründe – über die wir nichts wissen. Jedenfalls können wir nicht spekulativ ein politisches Großverbrechen konstruieren.

Safwan Eid, so heißt es, wird zum politischen Sündenbock gemacht, um den Deutschen das Gewissen reinzuwaschen.

Wenn es eine Verfälschung des Strafverfahrens wäre, wie man es beispielsweise in RAF-Verfahren vermutet hat, dann würde ich einer Verteidigung zubilligen, daß sie diese Frontstellung zum Thema macht. Es gibt aber keinen Anhaltspunkt für diese Annahme.

Das Opfer kann angeblich nicht der Täter sein.

Das ist ein Stereotyp bei justizkritischen Beobachtern, das instrumentalisiert wird. Damit kann man bei Leuten, die die Lübecker Justizverhältnisse nicht kennen, Vorurteile mobilisieren. Und das wird auch geschickt gemacht. Das kostbare Gut einer kritischen Öffentlichkeit wird so ohne Grund verschlissen.

Wie meinen Sie das?

Wenn sich erweist, daß in diesem Fall eine kritische Öffentlichkeit mißbraucht wurde, wird man beim nächsten Fall, wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich politisiert und jemanden zum Sündenbock stempelt, sagen: Der Verteidigung glauben wir nicht, die übertreibt ja immer. Das wäre verhängnisvoll. Interview: Jan Feddersen

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