■ SPD-Kanzlerkandidat in spe Schröder und die Ökosteuer: Seelöwe im Dreiliterauto
Das war wieder einmal typisch à la Gerhard Schröder: Die Journaille angelt hungrig nach Nachrichten im Winterloch, da stößt der Seelöwe aus Niedersachsen mittels Interview aus dem Eis und schreit: „Ökosteuer ist unsozial und überfordert die Politik!“ Nicht nur die wählenden Autofahrer und damit die Volksvertreter fürchten sich vor verdoppelten und verdreifachten Spritpreisen. Wer das Interview im Greenpeace-Magazin vollständig liest, findet sogar noch erhellendere Passagen.
Der niedersächsische Regierungschef und SPD- Wirtschaftssprecher zeigt den Weg vor, wie eine mögliche Ökosteuerreform wirksam zu verwässern ist: Wenn überhaupt eine Steuer auf den Energieverbrauch kommen sollte, dann will Gerhard Schröder die großen Branchen in seinem Bundesland ausnehmen – die Werften und Volkswagen. Da fast alle Ministerpräsidenten ähnlich einflußreiche Konzerne in ihren Ländern haben, sind auf diese Weise fast alle ausgenommen. Eine kuriose Argumentation: Wir stehen im weltweiten Wettbewerb mit rapiden Strukturwechseln und können uns deshalb gerade gar nicht ändern.
Als echter SPDler will Schröder das natürlich so nicht stehen lassen. Das Dreiliterauto schafft VW hoffentlich bis zum Jahr 2000, das wär' doch auch was, meint er. Aber größere Maßnahmen, die Verzicht bedeuten, das wäre nicht zu machen in Deutschland. Dabei gäbe es vielleicht selbst in der Sozialdemokratie noch einige, die Gerhard Schröder sagen könnten, wo sich durchaus ein bißchen verzichtbare Überschüsse finden lassen in diesem unseren Lande. Denn die ach so gebeutelten Unternehmen fahren seit Jahren Rekordgewinne ein. Aber wer 1998 Kanzler werden will wie unser Seelöwe, darf es sich natürlich nicht mit den Industriekohorten verderben.
Da hilft es nichts, daß umweltverträglichere Branchen wie die Hersteller von energie- und rohstoffsparenden Geräten beklagen, daß sie ihre höheren Forschungskosten zum Großteil als Verluste abschreiben müssen, weil die Rahmenbedingungen zu wenig ökofreundlich sind. Die Branchen wie Energie, Chemie oder Kfz bilden schon lange die Strömungen, in denen die Politiker treiben. Da müssen sich viele kleine Fischschwärme in Bewegung setzen, damit die dicken Seelöwen die Richtung ändern. Reiner Metzger
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