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"Alles Menschliche komprimiert"

■ "Gala"-Chef Marco Schenz über blaublütige Geschichten für Bundespräsidenten und Putzfrauen

Auf dem dicht gedrängten Markt der Frauenzeitschriften versucht sich „Gala“ als sogenanntes People-Magazin zu etablieren. Als Vorbild nennt Chefredakteur Marco Schenz das amerikanische „Vanity Fair“. Von dessen langen und gut recherchierten Texten ist „Gala“ zwar noch weit entfernt, hat aber mit einer ähnlich opulenten Optik durchaus ein bißchen Glamour in die deutsche Presselandschaft gebracht. Doch auch wenn sich „Gala“ von der hausbackenen Yellow press abgrenzen will, finden sich in dem Gruner+Jahr-Klatschblatt noch häufig Geschichten aus den europäischen Adelshäusern. So schreibt „Gala“ in der neusten Ausgabe zum 700sten Jubiläum des Fürstenhauses von Monaco: „Prinzessin Caroline: Einsam und doch nicht allein“.

taz: Wie wichtig sind solche Geschichten noch für die Medien?

Marco Schenz: An den Geschichten, die in Monaco „gesponnen“ werden, sind alle interessiert. Egal aus welcher sozialen Schicht Menschen kommen. Allerdings gibt zwei Lager: Die, die es zugeben und die, die es nicht zugeben. Ich habe beispielsweise in meinem Umfeld niemanden kennengelernt, der nicht von dem Anblick der kahlen Caroline betroffen gewesen wäre.

Sind die Tragödien der Grimaldis besonders medienkompatibel?

Alles Menschliche ist medienkompatibel. Gerade in Zeiten, in denen es wirtschaftlich nicht so gut läuft, besteht immer ein Interesse an Märchen und Illusionen. In Monaco spielt sich alles Menschliche in besonders komprimierter Form ab. Ein kleines, toll gelegenes Fürstentum mit allen Ingredienzen für interessante Geschichten: Macht, Liebe, Betrug und Schönheit.

Haben sie eigentlich einen speziellen Monaco-Reporter?

Nein. Und trotzdem hatten wir das erste Interview mit Prinzessin Stéphanie nach dieser dramatischen und etwas delikaten Angelegenheit.

Ohne Monaco läuft im deutschen Blätterwald nichts. Wie wichtig sind denn umgekehrt die Medien für das Fürstentum?

Sehr wichtig. Ich glaube, daß jedes einzelne Medium, auch wenn es vom Fürstentum juristisch bekämpft wird, kostenlose Reklame für Monaco betreibt.

Sie nennen „Gala“ bewußt eine People-Zeitschrift, um nicht mit der Yellow press verwechselt zu werden. Was unterscheidet denn „Galas“ Berichterstattung von der in „Frau im Spiegel“?

Ich bin nicht so snobistisch und urteile herablassend über andere Medien. Ich mache lieber meine eigene Zeitschrift, und die zeichnet sich durch eine seriöse Berichterstattung aus. Wir wägen vorher ab, ob wir Menschen durch gewisse Dinge verletzen könnten. Der „Gala“-Spruch lautet: Wir kommen zur Vordertür hinein.

Das heißt, auf Paparazzi-Fotos können Sie verzichten.

Auf Paparazzi-Fotos verzichten wir dann, wenn es den erwähnten Prinzipien widerspricht.

Um wieviel steigt die Auflage, wenn Prinzessin Caroline auf dem Titel ist.

Unter den drei bestverkauften Heften des letzten Jahres war weder Caroline noch eine anderes Mitglied der Fürstenfamilie.

Aber doch bestimmt ein anderer Blaublüter.

Die Nummer zwei war ein Aristo-Titel. Im übrigen bringen wir auch Monaco nur dann auf dem Cover, wenn wir von der Aktualität überzeugt sind. Ansonsten kann man auch mit den Grimaldis irrsinnig in den Keller rasseln.

Ist es eigentlich nur ein Vorurteil, daß Artikel über Monarchie und Adel vor allem von Frauen unter der Trockenhaube gelesen werden?

Ich bin neulich mit der Lufthansa geflogen und in der Business class saßen gleich vier Männer, die „Gala“ gelesen haben.

In der Business class sitzen ja auch fast nur Männer.

Ich glaube, daß an Tratsch und Klatsch prinzipiell alle interessiert sind. Vom Bundespräsidenten bis zur Putzfrau. Nur die Putzfrau wird eher zugeben, daß sie daran interessiert ist.

Sie wollen in Zukunft verstärkt auch jüngere Leser für das Blatt gewinnen. Sind die denn noch an Geschichten aus 1.001 Yacht interessiert?

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Zwar glaube ich nach wie vor an die Attraktivität der Geschichten über die Grimaldis, aber sie sind heute in den Reigen der heimischen und internationalen Stars aus TV, Sport und Film eingereiht. Manchmal tanzen sie in diesem Reigen mit und manchmal nicht.

Zum 700sten Geburtstag wird deutlich, daß die Grimaldis ein wenig abgewirtschaftet haben. Welches Königs- oder Fürstenhaus könnte denn ein drohendes Glamour-Vakuum ausfüllen?

Noch sind sie ja da. Aber natürlich haben gerade jüngere Leser andere Idole. Die neuen Prinzen und Prinzessinnen werden aus Hollywood kommen.

Vielleicht kommen die Grimaldis über Hollywood zurück. Filmstoff gäbe es ja genug.

Der einzige Film, den Gracia Patricia als Fürstin gedreht hat, war eine Komödie. Leider ist sie unmittelbar danach tödlich verunglückt und seitdem ruht der Film im Fürst Rainiers Safe.

Interview: Oliver Gehrs

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