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Die Kunst zu Brot machen

Ein Abschluß in einem kreativen Studiengang garantiert noch keine Berufsperspektive. Die Kunst muß auch verkauft werden  ■ Von Gereon Asmuth

„Wenn du nicht hundertprozentig verkaufen willst, brauchst du gar nicht erst anfangen.“ Ines Schaber, die gerade ihre Meisterschülerprüfung am Fachbereich Bildende Kunst der Hochschule der Künste (HdK) absolviert, hat erst gar keine Ambitionen, ihre Kunst in den Galerien zu vermarkten. Ihre Objekte will sie zwar auch weiterhin produzieren, den Lebensunterhalt aber anderweitig verdienen. Vorerst wird sie auf einer Baustelle jobben.

Nur etwa drei Prozent der bildenden Künstler, schätzt Sabine Tausch, Studienberaterin an der HdK, könnten ausschließlich von ihrer Kunst leben. Belegen kann sie die Zahl aber nicht, da der weitere Lebensweg der HdK-Absolventen bisher nicht dokumentiert wurde. Ein daher von der HdK geplanter „Zukunftsworkshop“ kam ins Stocken, als eine dafür vorgesehene Stelle nicht mehr neu besetzt werden konnte.

Immerhin hat die Kunsthochschule eine umfangreiche Broschüre mit Tips für den Einstieg ins Berufsleben herausgegeben – allerdings nur für die bildenden Künstler. So sind Tausch auch nur Einzelfälle bekannt, aus denen sie Rückschlüsse über den Berufseinstieg schließen kann. Hierbei gebe es je nach Studiengang große Unterschiede. So hätten es Pianisten derzeit extrem schwer, ein Engagement zu bekommen, für Geiger hingegen sieht Tausch bessere Chancen.

Trotzdem ist es dem Geiger Wolfram Korr auch drei Jahre nach seinem Abschluß an der HdK noch nicht gelungen, mit der „großen Kunst“ sein Auskommen zu sichern. „Aber ich begreife mich auch nicht mehr nur als Künstler“, meint Korr. „Ich habe ein Handwerk gelernt, und damit verdiene ich mein Geld.“ Häufig steige die Gage, wenn der künstlerische Anspruch sinke. So würden Einsätze in Fernsehshows besonders gut bezahlt. Bei MTV spielte Korr die erste Geige für den britischen Schnulzensänger George Michael. Die Violinentöne kamen vollständig aus der Konserve, gefragt waren die blonden Locken und der gleichmäßige Bogenstrich des Musikers – als nette Dekoration im Hintergrund. Nur bei kleinen Auftritten zusammen mit einer Pianistin kann Korr seine künstlerischen Ideen umsetzen – doch die sind selten und noch seltener gut bezahlt. So hofft er weiter auf eine Festanstellung bei einem Orchester – wenn nicht in Berlin, dann eben in Schweden oder Spanien.

Für Orchestermusiker ist der Markt eng geworden, weiß Ernst Brennert vom Künstlerdienst des Landesarbeitsamtes zu berichten. Die meisten Orchester sind auf öffentliche Förderung angewiesen, doch die Gelder werden zusehends knapper. Auch die Nachfrage nach Kleinkünstlern, die ihr Brot durch Auftritte bei Bällen, Betriebsfeiern und Stadtteilfesten verdienen, sei seit Jahren rückläufig, berichtet Brennert. Obwohl der Künstlerdienst im vergangenen Jahr 23.000 erfolgreiche Vermittlungen vorweisen konnte, sei, so Brennert, die Situation nicht rosig.

Bessere Aussichten hat da nur, wer marktorientiert studiert. In der boomenden Medien- und Werbebranche sind kreative Köpfe immer gern gesehen. „Einfach ist der Einstieg für Absolventen, die vorurteilsfrei sind“, meint Andrea Hohnen, Sprecherin der Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB). So gebe es einen immensen Markt bei den privaten Fernsehkanälen. Die Arbeit würde zwar selten den künstlerischen Ansprüchen der Neueinsteiger gerecht, aber man könne dort viel lernen.

Ansonsten versucht die DFFB ihren Schülern Teamgeist ans Herz zu legen. Schon im Grundstudium werde die Teambildung zwischen Regisseuren, Kameraleuten und Cuttern gefördert, berichtet Hahnen. Hieraus entstünden häufig Arbeitsgruppen, die nach dem Studium Produktionsteams bilden würden.

„Die Filmemacher wissen, daß der Abschluß allein nichts wert ist“, meint Hahnen. Zählen würden nur die während des Studiums produzierten Filme. Daher lädt die DFFB mehrmals jährlich Redakteure von Fernsehsendern oder Filmproduzenten ein, um den Filmstudenten die Gelegenheit zu geben, ihre Ideen den Profis zu präsentieren. Bei diesen Treffen würden Perspektiven für eine Zusammenarbeit entwickelt.

Ein Konzept, daß auch Susanne Schultz verfolgt, um ihre Schüler unterzubringen. Schultz leitet die vom Lette-Verein betriebene Berufsfachschule für Foto-, Grafik- und Modedesign. Doch die jährliche Präsentation der Schülerarbeiten soll nicht nur interessierte Arbeitgeber anlocken.

„Zum Erfolg gehört mehr als die Technik, die wir den Schülern hier beibringen können“, weiß Schultz. Ohne Durchsetzungsvermögen, Selbstbewußtsein und Hartnäckigkeit seien die jungen Designer schnell verloren. Die Jahrespräsentation sei daher ein überlebenswichtiges Training. Und noch einen Tip gibt Schultz ihren Schülern mit auf den Weg: „Ein Jungdesigner muß gut gestylt bei einer Vorstellung auftauchen, sonst hat er meist schon auf den ersten Blick verloren.“

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