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Was hat er getan?

Nach 2:3 gegen Ajax und dem Aus in der Champions League geht Atletico-Präsident Gil in sich  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Das Glück im Spiel muß seit neuestem der political correctness unterliegen und jene bestrafen, die durch ständiges rassistisches Gerede unangenehm auffallen. Anders ist das 3:2 von Ajax Amsterdam über Atletico Madrid im Viertelfinale der Champions League kaum zu erklären. Atletico hatte nämlich an diesem Mittwoch richtig gut gespielt. Doch Stürmer Kiko versiebte vier wirklich große Chancen, und Kollege Esnaider scheiterte gar mit einem Elfmeter an Torhüter Van der Sar. Und auch vorne war Fortuna Ajax hold. „Drei Tore, wie sie in hundert Jahren nicht wieder reingehen“, hatte Radomir Antic gesehen. Weshalb der Trainer von Atletico auch noch lange nach dem Spiel verzweifelt den Kopf schüttelte.

Der Sündenfall aber hatte sich bereits am Tag nach dem Hinrundenspiel ereignet. „Wo du auch hinschaust, tauchen Schwarze auf, wie im Kongo“, entschuldigte damals der für sein Mundwerk nur allzu gut bekannte Klubpräsident Jesus Gil die schlechte Leistung der Seinen beim sauer erkämpften 1:1. Ein Aufschrei bei Ajax folgte, eine Entschuldigung wurde eingefordert und nicht gewährt. Trainer Louis van Gaal hängte kurzentschlossen Gils Ausfälle im Umkleideraum aus, die Spieler schworen Vergeltung.

Derartig motiviert kamen die Holländer dann auch auf den Platz. Und plötzlich war es wieder da, das große Ajax. Es waren 30 Minuten schöner Pässe, mal kurz, mal lang, immer zielgenau, gespielt in atemberaubender Geschwindigkeit. Torwart José Molina verhinderte Schlimmeres, bis sich der Rest der Mannschaft an das gewöhnt hatte, was Ajax einst so berühmt machte. Und dann war der Zauber vorbei. Kein Anspiel wollte mehr gelingen, nichts. Plötzlich dilettierte ein trauriges Ajax-Team wie in der Vorrunde, als man gegen Grasshopper Zürich bloß kämpfte und doch verlor.

Es spielt fortan hauptsächlich Atletico. Doch wenn deren Spieler nicht beim Abschluß versagten, stand bei Ajax das Glück mit im Tor. Tiefe Enttäuschung plagte danach die Atletico-Spieler. Sie hatten alles gegeben für das, was Spieler Pantic „das wichtigste Spiel meines Lebens“ genannt hatte. Eigentlich ist es so, daß sich eine jener fatalistischen Einsichten erneut bewahrheitet hat, mit denen die Anhänger von jeher leben: „Der größte Feind Atleticos ist Atletico selbst.“ Fast wie vor 23 Jahren, als der Münchner Hans Georg Schwarzenbeck dem Klub in letzter Minute den Europapokal klaute, hatten die Rot-Weißen den Sieg erneut auf der Stiefelspitze – und erneut ist der Traum verpufft.

Die Niederlage gegen Ajax markiert den traurigen Höhepunkt einer Strähne, die begann, als man gegen den FC Barcelona vor zwei Wochen im Pokal-Viertelfinale nach 3:0-Führung noch 4:5 unterlag. Seither geht alles schief. 15 Gegentore verbuchte Atletico seither in vier verlorenen Spielen. Das Schlimme aber ist: Alle Niederlagen waren, wie nun gegen Ajax, kunstvoll herausgespielt. Den Platz in Europas schönstem Licht hat man nicht nur verloren, es gibt auch vorerst kein Zurück. Die Liga machen die beiden Erzfeinde Real Madrid und FC Barcelona untereinander aus. Was jetzt noch bleibt, ist nicht viel: die Aussicht auf einen Uefa-Cup-Platz.

„Atletico hat Pech gehabt“, gestand auch Ajax-Trainer Louis van Gaal. Er kann aufatmen. Wie Kollege Antic hat auch er Liga und Pokal abhaken müssen. Da kommt das Champions-League-Halbfinale gegen Titelverteidiger Juventus Turin wie gerufen, um Anhänger und Vereinskassierer bei Laune zu halten.

Während bei Ajax alles zumindest hoffen darf, ist in Madrid einer in sich gegangen: „Wenn die Osterwoche naht und einer wie ich an Gott glaubt, dann fragt er sich: Was habe ich Schlimmes gemacht, um so vom Schicksal gestraft zu werden?“ Man hört es: Atletico-Präsident Jesus Gil hat die Niederlage sichtlich zu denken gegeben.

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