: Neues Gesicht fürs Sozialamt
■ Angehende Kommunikationswirte verschönern Bremens Behörden
Das Amt für Soziale Dienste im Volkshaus erstrahlt in neuem Licht: Kurze Wartezeiten, hell getünchte Dienstzimmer, freundliche Beamte. Und auch nach Feierabend herrscht im Volkshaus buntes Treiben: In den Räumen – von denen in dem ehemaligen Gewerkschaftshaus viele leer stehen – treffen sich Vereine, im Kinosaal wird Theater gespielt, im Innenhof lädt ein Bistro zu einer gepflegten Tasse Kaffe ein, der Keller wurde umfunktioniert in eine Galerie. Utopie?
Der Traum vom Sozialamt als Kommunikationszentrum könnte wahr werden, jedenfalls wenn es nach „Menz&Friends“geht, der Modellagentur von Jessica Menz und drei ihrer Kommilitonen. Die Studentinnen gehören zu den zwölf AbsolventInnen der Akademie für Kommunikation, Marketing und Medien in Bremen. In ihrer Abschlußarbeit, die sie heute der Senatorin Tine Wischer (SPD) vorstellen, haben sie dem Amt für Soziale Dienste ein neues, bürgernahes Gesicht verpaßt. Die Mitarbeiter pauken Freundlichkeit bereits in Kommunikationsseminaren. Und wenn das Geld reicht, will das Amt auch die übrigen Punkte des Konzeptes der Studentinnen verwirklichen. .
Ein Erfolg nicht nur für die Studentinnen, die sich nach zwei Jahren Abendstudium jetzt Kommunikationwirtin nennen dürfen, sondern auch für die Akadamie, die eine von 13 Bildungseinrichtungen dieser Art in Deutschland ist und im letzten Jahr fast vor dem Aus stand. Nach einem Wechsel in der Spitze brach die Akademie zusammen. Die StudentInnen kündigten geschlossen ihre Verträge auf. Sie waren mit dem Bildungsangebot nicht zufrieden (die Ausbildung kostet 320 Mark im Monat). Sieben DozentInnen gründeten daraufhin auf Bitten der StudentInnen die neue Akademie für Kommunikation, Marketing und Medien. Ehrenamtlicher Leiter wurde der Grafiker Friedrich Dodo de Boer. „Wir wollen den Leuten hier ein Grundwissen in allen Bereichen der Werbung vermitteln“, erklärt de Boer. „Neue Medien, Marketing, Gestaltung und Kreativitätstechniken gehören genauso zum Lehrplan wie BWL und Recht. Das Berufsfeld ist ganz weit umrissen.“26 Fächer gibt es an der Akademie, die nur Bewerber aufnimmt, die schon Praxiserfahrung oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einer ähnlichen Branche haben. So sitzen hier GrafikerInnen, FotografInnen und Werbekaufleute, aber auch JuristInnen, die in ihrer Firma im Marketingbereich arbeiten.
„Für Kommunikationswirte gibt es in Bremen auch einen Markt, nur ist der nicht riesengroß“, so de Boer. Höchstens 25 TeilnehmerInnen werden pro Jahrgang angenommen. Im neuen Kurs, der am 1. April beginnt, sind etwa 20 TeilnehmerInnen angemeldet. Die Berufschancen für die 20 Neulinge? „Die machen ihren Weg. Und oft schicken uns Firmen Angestellte, um sie besser zu qualifizieren. Da bezahlt der Arbeitgeber die Kursgebühren. Und nach dem Abschluß fallen die oft die Karriereleiter hoch“, sagt Friedrich de Boer.
Trotzdem fördert das Arbeitsamt die Weiterbildung an der Akademie nicht mehr. „Grundsätzlich ist das eine ganz tolle Sache“, meint Lother Elson, Arbeitsvermittler für den akademischen Bereich. „Aber wir dürfen nur noch nach Arbeitsmarktlage fördern, und die sieht in der Werbebranche ganz schlecht aus.“Sein Rat: „Sich nie nur auf einen Schwerpunkt konzentrieren, sondern das Wissen in vielen Bereichen erweitern.“Die Werbeagenturen reagieren eher skeptisch auf die Akademie. „Die Bremer Akademie allein reicht nicht. Das ist kein staatlich anerkannter Abschluß wie in Berlin“, erläutert Sabine Szabo, Inhaberin der Agentur Moskito. „Wichtig ist, was die Leute daraus mitnehmen. Aber mich beeindruckt das Durchhaltevermögen und das Interesse. Das bringt Pluspunkte.“Das Gleiche bei der Agentur Signs: „Der Titel KommunikationswirtIn an sich ist nicht so wichtig, sondern was jeder draus macht.“„Wenn jemand bei mir vorbeikommt, um sich zu bewerben, kommt es nicht darauf an, welchen Titel er trägt, sondern was er kann“, beschreibt Siegfried Schade von ABC-Werbung seine Einstellungskriterien. Bevor sich die neuen StudentInnen der Akadamie allerdings über die Einstellungskriterien von Betrieben Gedanken machen müssen, sollen sie sich in Projekten aus Wirtschaft und Öffentlicher Hand darauf vorbereiten. Bisher haben sich die StudentInnen zum Beispiel als Image-Berater für Werder Bremen betätigt und ein Marketing-Konzept für die Stadt erarbeitet. Welches Amt die StudentInnen als nächstes verschönern, steht noch nicht fest. De Boer schwebt wieder eine Zusammenarbeit mit der Stadt vor. „Das ist für beide Seiten sehr attraktiv. Der Öffentliche Dienst hat nicht so ein hohes Budget, und unsere Studenten haben ein reeles Projekt vor Augen.“
Inken Hägermann
Bremer Akademie für Kommunikation, Marketin und Medien
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