: Blumen oder Sicherheit an der Deichfront?
■ WilhelmsburgerInnen und vier Senatoren diskutieren über Deichrückverlegung
Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) zeigte sich lernfähig. „Wir müssen uns entscheiden: Entweder Deichsicherheit oder Biotop. Beides zusammen geht nicht.“Geht doch, mußte er sich vor versammeltem Volk von seinen eigenen Experten sagen lassen. Und so korrigierte er: Der „Chance für ein schönes Biotop“stünden in der Bevölkerung „Befürchtungen wegen der Deichsicherheit“entgegen.
Voscherau und seine Senatoren Erhard Rittershaus (parteilose Wirtschaft), Fritz Vahrenholt (sozialdemokratische Umwelt) und Eugen Wagner (ebensolches Bauen) diskutierten gestern mit BürgerInnen und LokalpolitikerInnen vor Ort über eine geplante Deichrückverlegung in Wilhelmsburg. Denn durch eine Erhöhung der Elbdeiche ginge ökologisch wertvolles Deichvorland verloren. An neun Stellen sollen deshalb die Dämme zurückversetzt werden, um einen Ausgleich zu schaffen. Doch davon hat der Senat erst zwei Projekte verwirklicht.
„Ich sehe die Sicherheit bei einem rückverlegten Deich nicht gegeben“, rief Deichvogt Peter Schlatermund. Dann nämlich wäre der neue Deich länger als der heutige und das Risiko eines Bruches damit größer. Viele sahen es genauso. Ein idyllisches Fleckchen sei das hier ja, so ein Anwohner. Aber an zwei bis drei Tagen im Jahr, bei schwerer Sturmflut, sei hier „die Front“. Die Wahl „zwischen Blumen und Sicherheit“sei da ja wohl nicht schwer.
„Die Sicherheit ist in beiden Fällen gegeben“, erinnerte Peter Haake von der Baubehörde an die Fakten. Vielleicht, setzte Voscherau an, könne man die Aspekte Sicherheit und Umweltschutz verbinden. „Kokolores“, dröhnte es aus dem Publikum. Ein Anwohner hingegen setzte sich für die Rückverlegung ein: Hier könnte ein Süßwasserwatt entstehen, in dem sich weltweit einzigartige Pflanzen halten.
Der Senat soll noch diesen Monat über das Vorhaben entscheiden. Voscherau „will nu mol kieken“. Vahrenholt ist „selbstverständlich“für die Rückverlegung, Rittershaus würde es lieber bei der kostengünstigeren heutigen Linie belassen. Und Wagner kam vor Ort, „um Meinungen anzuhören. Jetzt denken wir nach. Und wenn wir damit fertig sind, melden wir uns wieder.“
Achim Fischer
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