■ Vorschlag: Terry Gilliams "Brazil" open air und "12 Monkeys" in Mitte
Bei der Masse aktueller Produktionen, auch „unabhängiger“, ist es relativ schwierig geworden, in Berliner Kinos ältere Filme gezeigt zu bekommen oder auch mal eine der legendären „langen Filmnächte“ durchzufeiern. Da wird vom geneigten Zuschauer schon eine gewisse kreative Eigenleistung gefordert. So gibt es heute, rechtzeitig bevor die neue Science-fiction-Welle aus den USA über die hiesigen Leinwände schwappt, zwei sehr interessante phantastische Filme von Terry Gilliam zu sehen.
Den Anfang macht „Brazil“ in der Hasenheide, Gilliams Meisterwerk aus dem Orwell-Jahr 1984, eine gepfefferte Antwort auf die „Alles wird gut“-Utopien Hollywoods und eine bitterböse Abrechnung mit der Macht der Bürokratie, die rücksichtslos Träumer und Querköppe unterpflügt. Darüber, so Gilliam später, „wie aus „Organisationen sich selbst erhaltende Organismen werden, die alles tun, um am Leben zu bleiben“.
Den Ausgangspunkt von „Brazil“ bildet eine wenig futuristische Panne: Die Überreste einer an die Bürozimmerdecke geklatschten Fliege fallen in den amtlichen Fahndungsbefehldrucker, und aus „Tuttle“ wird „Buttle“. Die Folgen sind erschütternd – statt über den anarchistischen Klempner (Robert De Niro) fällt das brutale SEK gebührenpflichtig über einen harmlosen Familienvater her. Sam Lowry (Jonathan Pryce), ein bescheidener Beamter, der in seinen Träumen symbolhafte Kämpfe als glänzender Ritter ausficht und in der dunkelgrauen Realität eigentlich ein ganz, ganz kleines Rad im Getriebe ist, stolpert über den Vorgang und trifft dabei allerdings seine vermeintliche Traumfrau.
Der kleine Bürokrat übt sich bald en miniature im Widerstandskampf. Wer aber Aktenvorgänge manipuliert oder nichtzugelassene Installateure bei sich arbeiten läßt, bekommt hier die ganze Härte des übermächtigen Systems zu spüren. Mit dem rücksichtslosen Humor der Monty Pythons, mit denen der Amerikaner lange als Animationskünstler, Schauspieler und Regisseur zusammengearbeitet hat, zahllosen Zitaten von Orwell, Huxley, Kafka und Eisenstein und vielen grandiosen Details erzählt Gilliam seine Geschichte; das widerwärtig konsequente Filmende ist nur im weitesten Sinne ein „happy ending“.
Sobald Lowry blöde grinsend, auf einen Stuhl gefesselt, von der Leinwand starrt, sollte man sich auch aufmachen, wenn man – so die Hasenheide-Veranstalter und die BVG mitspielen – noch „12 Monkeys“ sehen will, Gilliams anderer futuristisch angehauchter Film von 1996, der in Mitte gezeigt wird. Basierend auf Chris Markers „La Jetée“ hetzt er Bruce Willis durch die Gegenwart, um die Verbreitung eines Virus und das Ende der Menschheit in der Zukunft zu verhindern. Auch dieser nüchterne Streifen ist voller skurriler Einfälle – wie Leinwandmasochist Willis hier geschunden wird, ist schon sehenswert. Aber der eigentliche Star ist ausgerechnet Brad Pitt als halbwahnsinniger, fahriger Fanatiker mit Waschbrettbauch, der alle an die Wand spielt. Wer hätte das gedacht. Thomas Klein
„Brazil“ läuft um 21.30 Uhr im Freiluftkino Hasenheide, U-Bahnhof Südstern; „12 Monkeys“ um 0.30 Uhr in den Hackeschen Höfen 4, Rosenthaler Straße 40/41
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