: Windkraft-Pioniere in Belgien
■ Die grenzüberschreitende Genossenschaft „Energie 2030“ will Belgien vom Atomstrom zur Windenergie umpolen
Berlin (taz) – Das Projekt ist eine Herausforderung: Belgien soll mittels Windkraft umweltfreundlich Strom produzieren. Problem: Das Land ist fest in den Händen der Atomlobby und bezieht mehr als die Hälfte seines Stroms aus strahlendem Material. Folglich zahlt man dort „nur eine äußerst geringe Vergütung von sechs Pfennig für das Einspeisen von Strom ins öffentliche Netz“, weiß Dirk Tentler von der Genossenschaft mit dem programmatischen Namen „Energie 2030“.
Etwa 350 Mitglieder zählt die Organisation. Initiiert und im belgischen Eupen gegründet wurde sie vor zwei Jahren von den Mitgliedern eines Aachener Vereins gleichen Namens, einem Zusammenschluß von zwölf Umweltverbänden der aneinandergrenzenden Länder Belgien, Luxemburg und Deutschland. Beide Einrichtungen haben das Ziel, die Nutzung regenerativer Energiequellen zu unterstützen und das Energiesparen zu fördern. Finanziert wird dies durch die Genossenschaft.
Bislang wurde mit dem Geld der Anleger ein Windrad in Herhan in der Eifel aufgestellt sowie die Wärmedämmung des Aachener Umwelt- und Dritte-Welt-Hauses unterstützt. Außerdem planen und bauen die Genossen mehrere Photovoltaikanlagen in der alten Kaiserstadt, wo die Energieversorgungsunternehmen die Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz kostendeckend vergüten.
Um neue Standorte für Windräder zu prüfen, führte man im vergangenen Jahr Messungen sowohl in Luxemburg als auch in Belgien durch. Das Ergebnis ist vielversprechend: Die kleine ostbelgische Ortschaft St. Vith – nur einen Katzensprung hinter der deutschen Grenze gelegen – erwies sich als geeignet, um dort eine Windkraftanlage als Pilotprojekt zu installieren. Allerdings kann man sich auf keinerlei Wissen von bestehenden Betreibergemeinschaften stützen. „Wir müssen unsere Erfahrungen mit Rechtsformen, Einspeisevergütung und Bauanträgen in Belgien erst noch machen“, heißt es bei den Aachener Öko-Pionieren – gleichsam als Anschub und Modell für weitere Projekte.
Das Vorhaben stößt auf positive Resonanz. Der Stadtrat von St. Vith zeigte sich dem Gedanken äußerst zugänglich, auf diese Weise Alternativen zum Atomstrom aktiv zu unterstützen. Die Gemeinde stellt für den Betrieb eines Windrades mit 600 Kilowatt in den nächsten 15 Jahren sogar einen Zuschuß in Höhe von umgerechnet 40.000 Mark pro Jahr bereit.
Über das ökologische Engagement hinaus will die Genossenschaft auch ökonomisch arbeiten. Schließlich sollen ihre Mitglieder bei der Unterstützung umweltfreundlicher Projekte nicht auch noch draufzahlen. Beteiligen kann man sich ab 500 Mark oder 10.000 belgischen Franc. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die stärker profitorientiert seien, habe man „diese kleine Stückelung der Anteile gewählt, um möglichst viele Menschen an unseren Vorhaben beteiligen zu können“, werben die Genossen. Der eingezahlte Betrag verbleibt auf einem D-Mark- Konto, wird innerhalb der Organisation auch in dieser Währung geführt und verzinst. Aus formalen Gründen müssen die Mitgliedsurkunden sowie die Eintragung in das belgische Genossenschaftsregister jedoch auf belgische Franc lauten. Da 500 Mark allerdings nicht genau 10.000 belgischen Franc entsprechen, bleibt ein Restbetrag, den die Genossenschaft formal als Darlehen betrachtet und genau wie die gezeichneten Anteile verzinst. Das Unternehmen hat Erfolg. Dirk Tentler: „Eine erste Ausschüttung gab es bereits.“ Andreas Lohse
Kontakt: Genossenschaft Energie 2030, Im Grüntal 18a, 52066 Aachen, Tel. (0241) 970138/39
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