: Südafrikas Gewerkschaft droht mit Generalstreik
■ Arbeiter fordern 40-Stunden-Woche. Belastungsprobe für Mandelas Regierung
Johannesburg (taz) – Südafrikas mächtiger Gewerkschaftsverband Cosatu droht damit, das Land zu einem völligen Stillstand kommen zu lassen. Mit einstündigen Warnstreiks begannen gestern die dreiwöchigen Aktionen für bessere Vertragsbedingungen. Auch landesweite Demonstrationen sind geplant, den Höhepunkt aber bilden zwei jeweils 24 Stunden lange Generalstreiks, die den Protest Ende August abschließen sollen. Dann nämlich werden Arbeitnehmer und Gewerkschaften ihre jeweiligen Eingaben zu einer Gesetzesvorlage im Parlament machen, die derzeit die Gemüter in Südafrika erregt: das Gesetz über die Grundlagen von Beschäftigung, Teil eines umfangreichen Reform der aus der Apartheidzeit stammenden Arbeitsgesetzgebung.
Der Entwurf von Arbeitsminister Tito Mboweni (ANC) sieht vor, die derzeit geltende 46-Stunden-Woche auf 45 Stunden pro Woche zu senken. Außerdem enthält er neue Regelungen für Überstunden und Mutterschaftsurlaub. Letzterer soll auf vier Monate erhöht werden, das Gesetz enthält bislang aber keine konkreten Regelungen über die Weiterzahlung an die Frauen. Außerdem wird Kinderarbeit auf neue gesetzliche Grundlagen gestellt. Jugendliche müssen mindestens 15 Jahre alt sein, um beschäftigt zu werden. Schwere und gefährliche Arbeiten dürfen nur Erwachsene ausführen.
Doch die Gewerkschaften wollen mehr. Sie fordern eine 40- Stunden-Woche sowie sechs Monate Mutterschaftsurlaub, von denen mindestens vier vom Arbeitgeber bezahlt werden sollen. Kinderarbeit soll völlig verboten werden. Das bringt wieder die Arbeitgeber auf: Bei niedriger Produktivität und einer Arbeitslosenquote von fast immer noch 40 Prozent könne man sich das nicht leisten. Seit Monaten verhandeln alle drei Parteien nun schon hinter verschlossenen Türen und haben sich dabei in einigen Punkten schon angenähert.
Der Konflikt setzt die ANC-geführte Regierung unter Druck, wie alle Arbeitskämpfe im „neuen“, demokratischen Südafrika: Mandela übt den Spagat, denn er darf es sich mit ihrem Bündnispartner aus Apartheidzeiten nicht vollkommen verderben. Noch heute bilden ANC, Cosatu und die Kommunistische Partei (SACP) eine sogenannte Drei-Parteien-Allianz, obwohl in der politischen Praxis oft tiefe Konflikte zwischen Regierung und Gewerkschaften herrschen. Um die propagierte Einheit nicht zu gefährden, stellt sich der ANC meist bei Streikaufrufen hinter Cosatu, selbst wenn dessen Forderungen den eigenen Zielen zuwiderlaufen.
Doch meist kommen dabei Kompromisse zustande, mit denen alle Seiten leben konnten – trotz gegenteiliger Rhetorik nach außen. Im aktuellen Streit hat Cosatu-Chef Sam Shilowa noch einmal neue Register gezogen und macht das Gesetz zum Testfall für die Beziehungen zwischen ANC und Gewerkschaften. Die Regierung indessen will und kann am Ende nicht einfach nachgeben. Daß der Streit nun nach außen so aufgebauscht wird, obwohl Experten vermuten, daß noch vor dem Ende der geplanten Protestaktionen eine Einigung gefunden werden könnte, hat seinen Grund sicher nicht in der Sache, sondern in politischen Standortbestimmungen.
Im September hält Cosatu einen nur alle drei Jahre stattfindenden Gewerkschaftstag ab, auf dem man sich gegenüber der Basis rechtfertigen muß. Der ANC seinerseits veranstaltet Ende des Jahres einen ebenfalls nur alle drei Jahre stattfindenden Parteitag, auf dem der Nachfolger von Nelson Mandela gewählt wird. Der Wahlkampf für die nächsten Wahlen 1999 hat in Südafrika längst begonnen. Kordula Doerfler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen