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Wand und BodenStadt, Land, Foto

■ Kunst in Berlin jetzt: Ortsbegehung III, Suzanne Lafont, Frances Scholz

Regelmäßig lädt der Neue Berliner Kunstverein Kuratoren ein, die ihren Neigungen entsprechend junge KünstlerInnen vorstellen. Thomas Wulffen konzentrierte sich auf Systemkunst, Kathrin Becker zeigte einen Pop-Mix, und Friedrich Meschede vom DAAD interessiert sich für Land art. Deshalb zeigt Meschede Fotografie zur Ortsbegehung III – schließlich dokumentierten bei Michael Heizer, Robert Smithson oder Gordon Matta-Clark meist Bilder das vorhergehende Treiben im Feld oder auf den Dächern von Paris.

Mit ihren Vorgängern der 70er Jahre haben die drei Künstlerinnen von „Schöne Welt“ den changierenden Blick auf Stadt und Land gemein. Zum einen distanziert sich Andrea Rostasy bei ihren Touren durch Paris, London oder Berlin vom allgemeinen Sightseeing-, Nacht- und Kulturleben der Metropolen und sucht statt dessen leere Orte auf – Schrotthalden, verwitterte Cricketstadien, Eisenbahnbrücken. Andererseits stehen diese Aufnahmen in einer Linie mit Fotokünstlern wie den Bechers oder Andreas Gursky, die Landschaft als Skulptur betrachten. Rostasys urbane Ruinen wirken ähnlich stilisiert. Nur einmal nimmt sie sich auf den Treppen von Sacre C÷ur Menschen vor, aber auch hier ist der grau verhangene Himmel reizvoller als die versprengten Reisegruppen in ihren Sportjacken.

Bei Ulrike Kuschel stellt sich der umgekehrte Effekt ein: Zwischen den weiten Hügeln der Krim werden einzelne Touristen zu winzigen Fixpunkten in der schroffen Natur. Kuschels Motive sind die Urlaubsorte der Russen, wobei die nahe gelegene Schwerindustrie stets mit ins Bild ragt. Eine Familie sonnt sich auf einem Pier für Transportschiffe, und Wanderer tapsen an Stahlwerken vorbei, als könne man Freizeit und Arbeit nicht voneinander trennen. Daß sich diese Eindrücke nicht zum ironischen Kommentar auf die Floskeln des Sozialismus fügen, sondern fein zwischen romantischer Idylle und den Unbilden der Lebenswelt balancieren, macht die Stärke der Arbeiten aus.

Antje Majewskis zusammengepuzzelte Panorama-Fotos hingegen sind umständliche Konstrukte. Bilder von Badenden in einem Wasserfall oder Nachmittagen am Strand wurden zerschnitten und Ausschnitt für Ausschnitt zu einem Foto rekonstruiert. Man erkennt zwar, daß Fotografie ein Medium der Zeit ist, aber anders als etwa in den Tableaus von Sebastian Kusenberg wollen sich diese Momente nicht richtig verbinden. Nur einmal hat Majewski den fruchtbaren Augenblick auch montagetechnisch erfaßt: „Herbst“ zeigt das Gewirr von Wohnblöcken nach einem Gewitter. Schon hat sich ein Regenbogen gebildet, an dessen rechtem Ende das Sonnenlicht sich auf Dächern spiegelt. Es ist dieser magische Fleck im grauen Stadtbild, der etwas von dem „virtuosen Umgang mit den Prinzipien des Kubismus“ wiedergibt, den Meschede an ihren Fotos schätzt.

Bis 14.9., Di.–Fr. 12–18, Sa./So. 12–16 Uhr, Chausseestr.128/129

Bereits zur Eröffnung der documenta X hatten gewitzte Sockenhändler und Rockpromotoren die Poster von Suzanne Lafont in der Fußgängerunterführung am Kulturbahnhof Kassel mit eigener Werbung überklebt. Warum sollte man auch öde Hochhausschluchten und Städte auf schwarzem Grund anders als Reklame behandeln?

Unter dem Alexanderplatz am Gleis der U 5 Richtung Hönow ist die Serie mit mehr Bedacht installiert. Oberhalb der Werbewände wurden die Plakate 40 Meter entlang dem Bahnsteig in Doppelreihen aufgehängt. Leicht befremdet stieren BVG-Benutzer auf Lafonts Reigen mit den spärlichen Motiven: Laster vor grauen Häuserblöcken, die Beton-Internationale des Sozialwohnungsbaus der sechziger Jahre. Mit den beigefügten Namen vereinen sich die tristen Bilder zur Reise quer durch Europa.

Lafont beginnt in Istanbul, geht nach Belgrad, Budapest und Wien, um schließlich von Frankfurt nach Berlin zu kommen. Dazwischen sind Umzugsszenen montiert, eine Frau schiebt Leitern, eine andere döst zwischen Pappkartons, und ein Helge-Schneider-artiger Mann hat sich grinsend vor dem Mobiliar aufgebaut. Es sieht nach absurdem Theater aus, dabei soll „Trauerspiel“ für Lafont die Migration von Ost nach West bebildern, vor allem die Niedergeschlagenheit, „die mit der Trennung von der heimatlichen Erde verbunden ist“. So erklärt die französische Künstlerin die sensiblen Zeichen im documenta- Führer.

Am Alex erfährt man über solcherlei Bedeutungen nichts, dort sehen die Plakate wie eine Foto-Story aus – unverfänglich und überaus ästhetisch.

Bis Ende Dezember

Der Trend war seit Kasper Königs großer Ausstellung im Hamburger Kunstverein abzusehen: Selbst in der gerne theoretisierten „Malerei nach der Malerei“ ist die Leinwand ein recht konventioneller Tummelplatz für monochrome Streifen und Farbschichten geblieben. Auf dieses Gesetz kann sich auch Frances Scholz verlassen, obwohl ihre Einladungskarte mit Stills aus Jean-Luc Godards „Rette sich wer kann (das Leben)“ eher eine kontextuelle Untersuchung von Bildebenen verspricht.

Ähnlich wie Godard hält die seit 1988 in Köln lebende Malerin ein Bild, das nicht auch etwas über seine Herstellungsbedingungen besagt, für problematisch. Konsequenterweise läßt sie deshalb Kanten auf der Leinwand hervorstehen, an denen die abstrakten Flächen abgeklebt wurden. Zugleich spielen die wiederkehrenden tischtuchartigen Muster auf eine Grundfrage der neunziger Jahre an: Wann kippt Kunst ins Dekorative um?

Eine Antwort gibt Scholz nicht, aber wenigstens bleibt die Fragestellung transparent.

Bis 16.8., Di.–Fr. 16–19, Sa. 12–14 Uhr, Galerie Fahnemann, Unter den Linden 42 Harald Fricke

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