piwik no script img

Endlich die alten Säcke von damals sehen

■ NDW ist wieder in: 15 Jahre nach „Sommersprossen“ verwaltet Peter Hubert das Erfolgserbe von UKW. Seine Revival-Abende sind wie „Popgeschichte im Paket“

Lang, lang ist's her, da war Peter Hubert Anfang 20 und sang „Ich bin ja so verschossen / in deine Sommersprossen“. So lange liegt das nun schon zurück – 15 Jahre, um genau zu sein –, daß Menschen, die damals noch nicht einmal laufen konnten, inzwischen begeistert mitsingen: „Tina, ist das nicht prima! / Was für ein Klima!“ Und Peter Hubert steht wieder auf der Bühne, verwaltet das Erbe von UKW, der Band, die damals, in der Hochzeit der Neuen Deutschen Welle, einmal den Berliner Senatsrockwettbewerb gewann und sich anschließend für zwei kurze heiße Sommer in den Charts festsetzte.

Sein Auskommen findet Hubert inzwischen längst woanders. „Brav das Geld gespart“ hat er, als UKW so erfolgreich waren, und weil er in der Band sowieso immer fürs Finanzielle zuständig war, gründete er flugs den Prima Musikverlag. Nach dem Ende von UKW hatte er sich zwar kurzzeitig an einer Solokarriere versucht, die allerdings verlief „nicht ganz so erfolgreich“. Also gab er es auf und wurde statt dessen Vollzeit-Musikverleger. Und das Geld hörte nicht auf zu fließen, auch dank solcher Kulturhöhepunkte wie Jürgen von der Lippes „Guten Morgen, liebe Sorgen“ oder „Herzilein“ von den Wildecker Herzbuben, die allesamt von Prima verlegt wurden. Das aktuell heißeste Eisen seines Verlags heißt Sash, ein Dance-Act, dessen erste Single über eine Million Mal verkauft wurde.

Aber nun ist NDW wieder modern. Oder zumindest finden es alle lustig. „Ja, ich will, was mir gefällt / Es gibt nichts, was mich noch hält / Schöne Grüße an den Rest der Welt“, hat Hubert 1982 gesungen, den Song hat er neben anderen vor drei Jahren für eine „Neuer Deutscher Dancefloor“-Compilation als Techno-Version remixt. „Das ist zwar auf meinem Mist gewachsen“, meint der 40jährige, aber eigentlich sei er kein Freund solcher Modernisierungen: „Die Sachen sind okay, wie sie damals waren. Aber“, und dabei seufzt er nicht einmal, „was tut man nicht alles für Geld?“

Die NDW-Partys, eine Erfindung der Nachwendezeit, sind kaum noch zu zählen. Die Revivalabende finden zwar selten in Großstädten statt, aber Hubert hat trotzdem gut zu tun, denn kaum ein dörflicher Veranstalter möchte auf eine Wiederaufführung des piepsigen Hits von den „Sommersprossen“ verzichten. Finanziell nötig hätte der Berliner es nicht, sich durch die deutsche Provinz zu schlagen. Er tut es, „weil es Spaß macht“. Außerdem trifft man die Kollegen wieder: Joachim Witt, Peter Schilling oder Markus, alle müssen sich irgendwie durchschlagen, der eine schreibt mal Songs für Nena, der andere lebt hauptsächlich von der Nostalgie. „Wir sind Teil der deutschen Popgeschichte“, sagt Hubert.

Trotzdem sieht er sich nicht als Pionier oder Vorläufer der gerade zu beobachtenden Wiedergeburt deutscher Poptexte. Natürlich war er mitverantwortlich, daß damals „erstmals anders mit der deutschen Sprache umgegangen“ wurde. Aber Hubert ist kein Mensch, der zum Größenwahn neigt. Nicht UKW, meint er, eher schon die Fehlfarben könnten Blumfeld, Tocotronic oder Selig beeinflußt haben. Hubert mag Belangloses wie „Oh Baby, du bist wie ein Messer so scharf“ gesungen haben, aber für die nachwachsenden Generationen wurde dadurch vieles einfacher. „Wir haben den Weg bereitet“, glaubt der Frank- Zappa-Fan heute, „sich vom Diktat des Englischen zu lösen, das war das Entscheidende.“

Mieten kann man die Popgeschichte im Paket, die Helden von damals stehen in Kontakt und kommen dann in allen denkbaren Kombinationen auch in deine Stadt: Nach den Einzelauftritten trifft man sich noch einmal auf der Bühne, um gemeinsam die in der Rückschau so bunten Zeiten wiederaufleben zu lassen. Ob er sich nicht ein wenig komisch vorkomme, wie im Zirkus, als Karikatur seiner selbst? „Ich will mich nicht mit den Rolling Stones vergleichen“, weiß Hubert darauf zu erwidern, „aber die sind auch noch auf der Bühne und spielen ihr Zeugs von vor sogar 25 Jahren.“ So viel habe sich schließlich seit damals gar nicht geändert. Schon vor eineinhalb Jahrzehnten „war das in erster Linie Spaßmusik zum Mitsingen und Partymachen. Und heute ist das auch noch so.“ Obskurerweise finden schätzungsweise zwei Drittel seiner Auftritte in den neuen Ländern statt, was er nicht als prinzipielle Rückwärtsgewandtheit der Menschen dort sehen will, sondern ganz schlicht als Nachholbedarf interpretiert: „Jetzt können die endlich mal die alten Säcke von damals sehen.“ Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen