: Neonazis mobilisieren zum Heß-Tag
Am Wochenende soll eine Demonstration zum 10. Todestag des Hitler-Stellvertreters stattfinden. In Baden-Württemberg sind bereits alle angemeldeten Demos verboten worden ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Die deutsche Neonazi-Szene ruft bundesweit für das Wochenende zu einem „Gedenkmarsch“ für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß auf. Zur Demonstration anläßlich des 10. Todestages des im oberfränkischen Wunsiedel begrabenen Heß wird über die „Nationalen Infotelefone“ mobilisiert. Am Wochenende werde „die BRD beben“, heißt es vollmundig in deren Ankündigung. Ort und genaue Zeit des Aufzuges werden erst kurz vor dem Marsch über Mobiltelefone bekanntgegeben.
Anmeldungen liegen jedoch bereits in verschiedenen Städten vor. Während die Behörden im dänischen Roskilde eine Veranstaltung genehmigt haben, sind in Baden- Württemberg alle angemeldeten Heß-Demonstrationen verboten worden. Auch in Wunsiedel hat das Landratsamt zum Wochenende ein allgemeines Versammlungsverbot für das ganze Stadtgebiet erlassen. „Für uns ist das mittlerweile Routine“, kommentiert Behördensprecher Helmut Sack das Verbot der von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Riege angemeldeten Demonstration.
Die „Nationalen Infotelefone“ Rheinland, Sauerland und „Mitteldeutschland“ haben den Samstag zum „Tag X des nationalen Widerstands“ ausgerufen. Plakate und Aufkleber mit der Aufschrift „Mord an Rudolf Heß“ sind bereits verschickt, Fahrzeuge mit Mobiltelefonen werden noch gesucht, und man rät den Teilnehmern, „Autobahnraststätten zu meiden“. Die Sicherheitsbehörden erwarten wie in den Vorjahren auch ein Katz-und-Maus-Spiel der Neonazi-Szene, um Verbotsverfügungen und polizeiliche Maßnahmen umgehen zu können. Seit dem Tod von Heß im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis 1987 marschieren die Neonazis auf. Sie verehren Heß als „Märtyrer für den Frieden“ und mobilisieren international für den „Gedenkmarsch“. In den ersten Jahren nach Heß' Tod kamen in Wunsiedel, Bayreuth oder im thüringischen Rudolstadt bis zu 2.500 Neonazis zusammen. Neben den alljährlichen internationalen Treffen „Ijzerbedevaart“ in Diksmuide in Belgien Ende August und der Gedenkveranstaltung für General Franco Anfang November in Madrid kam damit dem Heß-Marsch innerhalb der Szene ein hoher Stellenwert zu. Dort trafen sich führende Köpfe, man bewies seine Stärke und hoffte damit neue Anhänger zu rekrutieren.
Nach den Anschlägen von Mölln und Solingen verstärkten die Sicherheitskräfte ihre Bemühungen, die Aufmärsche durch Verbotsverfügungen, Razzien und polizeiliche Kontrolle zu unterbinden. 1993 marschierten in Fulda lediglich 500 Neonazis auf. Dann wichen sie ins grenznahe Ausland aus. In Luxemburg, im dänischen Roskilde und im schwedischen Trollhättan trafen sich jeweils 200 Neonazis zum Heß-Gedenkmarsch. Im letzten Jahr waren es etwa 200 in Worms und 120 in Merseburg. In einem Lagebild zum Rechtsextremismus sieht das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVS) dies als Beweis dafür an, daß die neuen Organisationsformen der Neonazis „bundesweit noch nicht zu einer Steigerung der überregionalen Aktionsfähigkeit geführt“ hätten. Man stuft dort die Aktionen zum Heß-Gedenken als „zielgerichtete Zusammenarbeit von Neonazis mit anderen Rechtsextremisten“ ein.
Wenn „Reizthemen aufgeworfen“ werden, dann hält das Bundesamt die Rechtsextremisten für „in hohem Maß mobolisierungsfähig“. Das habe die Demonstration gegen die Ausstellung „Vernichtungskrieg – Die Verbrechen der Wehrmacht“ am 1. März dieses Jahres in München gezeigt. Zu dem von der NPD und den „Jungen Nationaldemokraten“ angemeldeten Aufmarsch kamen knapp 5.000 Rechtsextremisten in der bayerischen Landeshauptstadt zusammen.
Die Antifaschistische Aktion ruft für den 17. August um 14 Uhr in Nürnberg zu einer Demonstration unter dem Motto „Schluß mit dem Naziterror“ auf
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