: Panschen und schwenken
Hamburgs Wein und seine Reisepapiere: Seit 13 Jahren testet Oenologe Fritz Dick Weinproben für das Hygieneinstitut ■ Von Vanessa Ogle
Im Wein liegt nicht immer nur Wahrheit. „Das ist ein Erzeugnis mit über 2000 Inhaltsstoffen, da kann man viel panschen“, sagt Fritz Dick, Weinsachverständiger am Hamburger Hygieneinstitut. Er kontrolliert täglich Weinproben von Geschäften, die in Hamburg Wein verkaufen, lagern oder verarbeiten. „Oenologe“lautet seine offizielle Berufsbezeichnung.
„Gerade Hamburg als Hafenstadt importiert viele ausländische Weine“, erzählt Dick. Jeder Wein habe quasi eigene „Reisepapiere“, die Aufschluß über Herkunft und Jahrgang geben. Im Hygieneinstitut kann schließlich festgestellt werden, ob Weine richtig deklariert wurden.
Mit Weinen ist der 49jährige „von der Pike aufgewachsen“. In einem Dörfchen im baden-württembergischen Breisgau erlernte er den Beruf des Weinküfers. Diese Ausbildung bei Winzergenossenschaften, Weingütern und -kellereien umfaßt alles, was mit Wein zu tun hat: von der Verarbeitung der Trauben bis hin zur Abfüllung und zum Versand. An der Fachhochschule Geisenheim im Rheingau machte er seinen Abschluß als „Diplom-Ingenieur für Weinbau und Kellerwirtschaft“– ideal, um sich in Hamburg als „studierter Oenologe mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen“zu bewerben.
Seine Tätigkeit am Hygieneinstitut erfordert geschulte Sinne: Erst die Weinprobe betrachten, dann riechen und schließlich kosten. Ein gepanschter Wein kann „bei erheblichen Mängeln“aus dem Verkehr gezogen werden.
Mehrmals jährlich prüfen die Oenologen ihr Urteilsvermögen. Mehrere von ihnen kosten den gleichen Wein, die Ergebnisse werden verglichen. Mit dem vermeintlichen Weinkenner, der im Lokal das Glas fachmännisch gegen das Licht hält, sich unter Schwenkbewegungen den Geruch des Weines zufächelt, den ersten Schluck lange im Mund behält und sich dann zu Kommentaren wie „Südhang“, „sonniger Jahrgang“, oder „korkt ein wenig“hinreißen läßt, habe das nichts zu tun, beharrt Fritz Dick.
Jedes Bundesland ist nach dem Deutschen Weingesetz verpflichtet, einen Oenologen zu beschäftigen – auch, um Weine aus der Gastronomie zu untersuchen. Oft finden sich die auf der Speisekarte genannten Marken nicht in den Gläsern der Gäste wieder, berichtet Fritz Dick. „Es kommt häufig vor, daß ein einfacher weißer Tafelwein aus Italien als Soave angeboten wird; oder wir kommen in ein Lokal, in dem Champagner auf der Getränkekarte steht – leider findet sich dann dort keine einzige Flasche Champagner, nur mehrere geöffnete Flaschen italienischer Spumante.“Wer im Restaurant sein Lieblingströpfchen bestellt, kann sich deshalb zur Kontrolle die Flasche zeigen lassen.
Fritz Dick hat nach 13 Berufsjahren keinen Lieblingswein: „Es gibt 365 Tage im Jahr mit ebenso vielen Stimmungen, ich bevorzuge für jede Stimmung etwas anderes.“
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