: Kampf gegen die Jerrys
Entweder tut das Management der Chicago Bulls, was Michael Jordan will – oder der weltbeste Basketballer hört auf ■ Aus Paris Matti Lieske
„So wie es aussieht, keine Chance“, sagt Michael Jordan kategorisch. Wer ihn noch einmal auf dem Basketballfeld sehen will, sollte sich beeilen, denn der 34jährige ist wild entschlossen, nach der in zwei Wochen beginnenden NBA-Saison seine Karriere endgültig zu beenden – wenn das Management der Chicago Bulls nicht bestimmte Bedingungen erfüllt – oder besser gesagt eine bestimmte Bedingung.
Das Turnier der Meister in Paris, das am Donnerstag zum Auftakt mit dem Sieg der Argentinier aus Cordoba gegen Benetton Treviso eine große und mit dem Erfolg von Paris St. Germain gegen den FC Barcelona eine kleine Überraschung brachte, bekräftigte Jordan, daß er nur mit Coach Phil Jackson und nur in Chicago weitermachen werde. Die Wahrscheinlichkeit, daß Jackson im nächsten Jahr Trainer der Bulls bleibt, ist jedoch etwa so groß wie die, daß Alba Berlin NBA-Champion wird.
Jackson hat sich mit Bulls-Besitzer Jerry Reinsdorf und Generalmanager Jerry Krause, die ihn nur sehr widerwillig für die Spielzeit 97/98 verpflichtet haben, geeinigt, daß dies definitiv seine letzte Saison in Chicago ist. „Ich will nicht alle Möglichkeiten ausschließen“, sagt der Coach zur Frage der Verlängerung seines Einjahresvertrages, „aber die Vereinbarung ist nein.“ Jackson freut sich über Jordans „nette Loyalität“, will aber versuchen, ihm den Abschied auszureden. „Er hat noch eine Menge Liebe zum Basketball.“
Diese Liebe ist derzeit durch einen großen Zorn getrübt. Aus Gründen, die außer ihnen keiner so recht versteht, am allerwenigsten Jordan, wollen „die beiden Jerrys“, wie Reinsdorf und Krause genannt werden, unbedingt einen Neuaufbau. Dafür sind sie bereit, nicht nur einen absoluten Meisterschaftsfavoriten zu sprengen, sondern sogar einen Michael Jordan zu opfern. „Viele heben darüber die Augenbrauen“, sagt Phil Jackson, „denn im Sport ist die Zukunft für die meisten jetzt.“
Trotz des Titelgewinns im Juni hätten die Jerrys die Mannschaft beinahe schon diese Saison umgekrempelt. Erst als sie Scottie Pippen nicht loswurden, entschieden sie angesichts der Empörung bei Fans und Spielern, dem alten Team eine Gnadenfrist einzuräumen und verpflichteten sogar Dennis Rodman aufs neue. Dies, wie sie nicht müde wurden zu betonen, nur für ein allerletztes Jahr.
„Organisation gewinnt Meisterschaften“, behauptet der durch fünf Titel in sieben Jahren übermütig gewordene Reinsdorf. Das bringt Jordan vollends auf die Palme. Niemand weiß besser, wie schwer es ist, NBA-Champion zu werden. Zu Recht geht er davon aus, daß die Bulls ohne ihn keine einzige Meisterschaft geholt hätten – Reinsdorf hin, Krause her. Jordan zögert keine Sekunde, diesen seine Verdienste unter die Nase zu reiben. „Wer ist denn krank auf den Platz gegangen und hat 38 Punkte gegen Utah gemacht“, verweist er auf das wohl entscheidende Match des letzten Finales, das er trotz Magengrippe und nahender Ohnmacht fast allein entschied, „etwa die Funktionäre?“
Offiziell postuliert Jordan, daß er zu alt sei, um mit neuen Spielern und einem neuen Coach mit neuen Ideen, neuen Systemen noch einmal von vorn anzufangen. Das klingt ein wenig lahm von einem Sportler, der Herausforderungen liebt wie kaum ein anderer. In Wirklichkeit hat Jordan der Führung der Chicago Bulls mit seinem Ultimatum schon vor der Saison den Fehdehandschuh hingeworfen. „Wenn Jackson geht, gibt es nichts, was mich zum Weitermachen bewegen kann“, sagte er in Paris und versuchte so allen Hoffnungen, man werde sich schon einigen können, frühzeitig einen Riegel vorzuschieben.
Das ist eine Kampfansage, die offenkundig auch die Unterstützung Phil Jacksons findet. Der macht keinen Hehl daraus, daß es von ihm aus weitergehen könnte, und signalisiert mit der Ankündigung, daß er nach Erfüllung seines Vertrages wohl ein Jahr Pause machen werde, daß er durchaus Zeit hätte. Die beiden Jerrys können sich auf eine Saison der politischen Nadelstiche einrichten.
Eine erneute Meisterschaft müßte allerdings schon her, um der Michael-Jordan-Partei den nötigen Rückenwind zu verleihen. Nicht ganz einfach, aber Jordan ist sicher: „Wir können wieder Meister werden, weil wir mental unheimlich stark sind.“ Jerry Reinsdorf dagegen dürfte der einzige Vereinsboß der Welt sein, dem es lieber wäre, wenn sein Team diesmal nicht ganz vorn landet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen