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Wahlkampf mit Steinen, Flaschen und Stöcken

■ Morgen entscheiden die Montenegriner in einer Stichwahl über ihren neuen Präsidenten. Gewinnt Ministerpräsident Djukanović, brechen für Slobodan Milošević schwere Zeiten an

Belgrad (taz) – „Wir werden nicht zulassen, daß Slobodan Milošević und seine Gattin in Montenegro herrschen, daß sie ihre Selbstsucht und ihre Wahlmanipulationen, die wir aus Serbien kennen, bei uns ausbreiten!“ verkündete der montenegrinische Premier und Präsidentschaftskandidat Milo Djukanović. „Jugoslawien hat keine Alternative, Präsident Milošević ist der Garant unserer Prosperität“, konterte der amtierende Präsident Montenegros, Momir Bulatović.

Wenn sich die Anhänger von Milo und Momir über den Weg laufen, greifen sie nach Steinen, Flaschen und Stöcken – Schlägereien und überhitzte Emotionen gaben in der Wahlkampagne der beiden Kontrahenten bis zuletzt den Ton an.

Morgen wählt Montenegro seinen Präsidenten. Nach dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte Bulatović einen nur knappen Vorsprung. Beide Kandidaten führten einen erbarmungslosen Wahlkampf, in dem der montenegrinische Geheimdienst auf der Seite Djukanovićs, der jugoslawische Staatssicherheitsdienst und das Bundesheer auf der Seite Bulatovićs standen.

„Ich will Herrn Bulatović und seinen untauglichen Mentor in Belgrad absetzen, sie haben das Volk in Montenegro und Serbien in einen Zwinger gesteckt!“ brachte Djukanović seine Wahlkampagne auf den Punkt. Immer wieder betont Djukanović, er sei für Jugoslawien, aber nur unter der Bedingung, daß die Gleichberechtigung Montenegros unter der Herrschsucht Miloševićs zur Geltung kommt. Die gesamte parlamentarische Opposition in Montenegro, die albanische und die muslimische Minderheit, und vor allem junge Menschen unterstützen den jugendlichen, energischen Ministerpräsidenten.

Als Beweis seines Reformwillens hat Djukanović schon im Parlament Gesetze vorgelegt, die die Demokratisierung Montenegros im Eiltempo garantieren sollen: Nationalen Minderheiten werden Mandate im montenegrinischen Parlament garantiert, Oppositionsparteien können staatliche Medien kontrollieren, Montenegro soll wieder ein einziger Wahlbezirk werden. Eine energische Privatisierung der gesamten Wirtschaft hat begonnen und zeigt bereits erste Erfolge.

Diese Wende in der montenegrinischen Politik stimmt haargenau mit den Forderungen der bürgerlichen Opposition im Serbien überein, die von Zoran Djindjić, dem abgesetzten Bürgermeister Belgrads und Präsidenten der „Demokratischen Partei“, angeführt wird.

Dank Bulatović ist das Amt des Präsidenten die einzige Staatsfunktion, die der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević noch immer in Montenegro kontrolliert. Die staatlichen Medien in Serbien zermalmen Djukanović, bezeichnen ihn als den Paten der Mafia in Montenegro. Den geringen Vorsprung in ersten Wahlgang sicherte sich Bulatović durch soziale Parolen und die in Montenegro ausgeprägte Stammesordnung: Die an Serbien stärker gebunden Stämme im Norden des Landes stehen geschlossen hinter Bulatović.

Siegt Djukanović und gewinnt er so die Möglichkeit, mit seinen Anhängern die Politik zu bestimmen, erhält er einen gewaltigen Einfluß auf die Bundespolitik. Das zehnmal kleinere Montenegro mit 600.000 Einwohnern ist in allen Bundesinstitutionen gleichberechtigt mit Serbien, derzeit sind der Ministerpräsident und der Verteidigungsminister der Föderation Montenegriner. Djukanović könnte sie durch eigene Gefolgsleute ersetzen. Auch im Bundesparlament hätte er gemeinsam mit der serbischen bürgerlichen Opposition die Mehrheit, falls die montenegrinischen Bundesabgeordneten zu ihm überliefen. Damit wären die Position Slobodan Miloševićs, als Präsidenten Jugoslawiens, und seines Regimes in Serbien stark eingeengt. Andrej Invanji

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