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Kein Loch in Sicht

Die vormals tragische Figur Thomas Hellriegel gewinnt endlich den Hawaii-Triathlon und ist glücklich  ■ Aus Kailua-Kona Frank Ketterer

Die Ziellinie war in greifbare Nähe gerückt, als Thomas Hellriegel seine Schritte verlangsamte. Er schaute sich um, blieb schließlich stehen, nur einen kurzen Augenblick, und deutete mit seinen Armen auf den schwarzen Asphalt, der hinter ihm lag. „Seht her“, sollte das heißen, „hier bin ich, kurz vor dem Ziel, und keiner weit und breit, der mir den Sieg noch streitig machen könnte.“

Nur wenige Meter später, nach insgesamt 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dem abschließenden Marathonlauf, durchtrennte der 26jährige das Zielband beim Ironman von Hawaii. Nach 8:33:01 Stunden ließ sich der Mann aus dem badischen Büchenau als erster deutscher Sieger in der 19jährigen Geschichte des härtesten Triathlonrennens der Welt feiern.

In Abwesenheit des verletzten Vorjahressiegers Luc van Lierde belegten mit Jürgen Zäck aus Vallendar bei Koblenz (8:39:18) und Lothar Leder (Worms/8:40:30 Stunden) zwei weitere Deutsche die Plätze zwei und drei. Mit dem Bruchsaler Holger Lorenz (8./8:45:55 Stunden) und dem Mannheimer Alexander Taubert (9./8:47:49) landeten zwei weitere Deutsche in den Top ten.

Der Sieger beschrieb seinen Gemütszustand später nüchtern mit „Ich bin einfach nur glücklich.“ Was kaum erahnen ließ, was der Erfolg für Hellriegel bedeutete. Kaum ein anderer Triathlet weltweit stellt den Hawaii-Ironman so sehr in den Mittelpunkt seines Wirkens. In den beiden Vorjahren war er stets kurz vor dem Ziel abgefangen und jeweils nur Zweiter geworden. Um so konzentrierter hat er sich deshalb vorbereitet in diesem Jahr. „Aus Fehlern lernen“, hat sich Hellriegel zur obersten Maxime gemacht; noch im Juli, nach dem Europe-Ironman in Roth, wo er zwar erstmals unter der immer noch magischen Acht- Stunden-Grenze blieb, dennoch aber nur Vierter wurde, weil eingebrochen beim Laufen, hat er seine Trainingsplanung ziemlich einschneidend überdacht. Das Lauftraining wurde intensiviert, die Ernährung umgestellt. So sank der Fettanteil in Hellriegels Körper von 9,2 auf unter 6 Prozent. „Das sind Bereiche, wo man das letzte aus seinem Körper herauszukitzeln versucht“, sagt er.

Genau das aber ist nötig, um in der sengenden Hitze Hawaiis, die selbst die Triathleten an und über den Rand der Erschöpfung treibt, bestehen zu können. Bis zu 50 Grad Celsius und über 80 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschten in diesem Jahr in der Lavahölle des Highway 19, über den der Großteil der Radstrecke führte. Auf dem Weg nach Hawi, dem Radwendepunkt, bliesen Windböen vom Meer mit fast 75 Kilometer pro Stunde die Athleten fast vom Rad.

Genau so hatte sich Hellriegel die Bedingungen gewünscht: extrem heiß, extrem windig. Zwar ließ er Zäck kurz vor dem Wechsel auf die Laufstrecke einen Zwei- Minuten-Vorsprung herausfahren, aber dieser durfte sich nur kurz der Illusion hingeben, der erste deutsche Sieger auf Big Island zu werden. „Da habe ich echt gedacht, der Thomas zeigt Schwächen“, erinnerte sich Zäck später. Das Gegenteil war der Fall. Hellriegel trat am Ende der Radstrecke nicht mehr zu sehr in die Pedale, weil er sich seiner neuen Laufstärke bewußt war: „Ich wußte, daß ich ihn noch holen kann.“ Gut 17 Kilometer später, noch auf dem Alii Drive, wurde Zäck überholt. Von da an ging der Badener sein eigenes Rennen, in dem ihm diesmal zu keinem Zeitpunkt das Gefühl beschlich, „in ein Loch zu fallen“.

Für Jürgen Zäck wurde die letzten Kilometer, im Wissen um die entgangene Siegchance, zur Tortur. Noch schwerer setzte ihm nun die Hitze zu, noch größer wurden die Schmerzen in den Beinen. Das war ungefähr auch der Zeitpunkt, zu dem Lothar Leder seinen fulminanten Vorstoß mit Erfolg gekrönt hatte. Nach anfänglichen Problemen auf dem Rad, die ihn fast hatten aufgeben und mit 14 Minuten Rückstand auf Rang 16 in den Marathon starten lassen, mußte er die Verfolgergruppe von hinten auflaufen, was am Ausgang der Energy Lab Road geschehen war. Am Ende standen für Leder mit 2:49:15 die beste Marathonzeit, Platz drei und die Genugtuung, als einziger der Top-Plazierten nicht im Sanitätszelt mit Kochsalzlösung aufgepäppelt werden zu müssen.

Dieses konnten die beiden Erstplazierten erst nach gut einer Stunde wieder verlassen, gerade rechtzeitig, um den Siegeinlauf von Heather Fuhr (Kanada) zu sehen, die in 9:31:43 Stunden den Frauen- Wettbewerb vor Lori Bowden (Kanada, 9:41:42) gewann. Hinter dem Namen der deutschen Top- ten-Hoffnung Ute Mückel (Roth) standen in der Ergebnisliste am Ende drei unheilvolle Buchstaben: DNF – Did not finish.

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