: Mitleiden mit Fidelio
■ Rachel Torvey: dramatischer Neuzugang an Bremens Oper
Schon im Alter von zwei Jahren hat sie immer nur gesungen, und mit 13 fällte sie die Entscheidung, Sängerin zu werden: die Mutter war Klavierlehrerin, der Vater bei der Post, „hatte aber eine ganz tolle Stimme“. „Er spielte mir immer Opernarien vor, und ich tat so, als interessiere es mich nicht. Kaum war er weg, hab' ich die Sachen wiedergehört“. Rachel Torvey, in Hans Kresniks „Fidelio“-Inszenierung die weibliche Hauptpartie Leonore, kommt aus England, aus Worchester, „wie die Sauce“. In ihrer Stadt wurden nur Musicals aufgeführt, ihre erste Oper hat sie erst mit neunzehn Jahren gesehen. Ihr hochdramatisches Fach hat sich erst im vierten Jahr ihres Studiums entwickelt, angefangen hat sie – man glaubt es kaum – als Koloratursopran.
Im Augenblick leidet sie in „Fidelio“: „Wenn die Leute 'Aufhören!' rufen, geht das direkt auf die Stimme. Das hält kein Mensch durch“. Aber Rachel Torvey wirkt mutig, denn daß sie in Sachen Regie noch eher „altmodisch“ist, kreidet sie eher sich selbst negativ an: „Nur die Geschichte muß noch irgendwie da sein, sonst können die Regisseure machen, was sie wollen“. Sie hat in ihrem zweijährigen Engagement in Krefeld-Mönchengladbach die Chrysothemis in Strauss' „Elektra“gesungen, die Desdemona in Verdis „Othello“, die Santuzza in Mascagnis „Cavalleria Rusticana“. Ist dies alles noch sehr im lyrischen Fach verankert, so sieht sie sich in Zukunft ausschließlich hochdramatisch: Tosca, Turandot, auch Wagner: „Aber das hat noch viel Zeit. Ich bin ja erst dreißig“. Für Technik und Gestaltung arbeitet sie viel mit Videos.
In Bremen warten nun zwei Riesenpartien auf sie: die Amèlia in Verdis „Maskenball“und die Santuzza. All diese Frauen findet sie modern, die Geschichten zeitgemäß, „ich versuche immer, mein ganzes Herz zu singen“. Leontyne Price, Renato Bruson, Tito Gobbi: erlesen ist die Liste ihrer Vorbilder. Die Hobbys sind der Ausgleich für die oft tödlichen Seelendramen ihres Fachs: Katzen, Stricken, Blumen arrangieren. „Ich kann mir vorstellen, später einmal ein Blumengeschäft zu haben“. usl
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