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Her mit dem Therapeutengesetz!

■ Die psychologische Betreung ist in Bremen „so schlecht wie noch nie“/ Neues Psychotherapeutengesetz soll Abhilfe schaffen

Daß es man bloß endlich gelingen möge! Das Psychotherapeutengesetz. Am Freitag Abend übten sich im Vortragssaal des Bremer Marriot-Hotels die feindlichen Brüder und Schwestern der psychotherapeutischen Gesundheitsversorgung in einem ungewohnten Schulterschluß. Von den Vertretern der Ärzte, der Krankenkassen, der Psychologen, bis hin zur jungen Psychologie-Studentin im Publikum waren sich alle einig: Besser als hier und jetzt wird es immerdar. Also her mit dem Gesetz, das ab dem 1. Januar 1999 dem neuen Berufsstand des Psychologen in der „Kassenärztlichen Vereinigung“(KV) Sitz, Stimmen und vor allem ein eigenes Budget zuteilt. In diesen Chor stimmten die Vertreterinnen der Bremer Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen, Waltraud Hammerström und Christa Bernbacher, „im Interesse der Patienten“mit ein.

Man werde sich dafür einsetzen, daß das Gesetz spätestens bis April über die Bühne geht, versprachen die Politikerinnen. Die „Zuzahlung“von zehn Mark pro Behandlung, über die das Gesetz im Bundesrat gekippt war, sei erst einmal ausgeklammert. Zwar werde von der Familien- bis zur Gestalttherapie „eine Vielzahl von Behandlungsmethoden nun unter den Tisch fallen“, meinte Christa Bernbacher, aber man könne das Gesetz ja noch verändern, wenn es nur erst mal da sei.

Die Verhandlungsführer der Psychologenverbände, Hans-Jochen Weidhaas von den Kassenpsychotherapeuten und Hans-Joachim Schwarz vom Deutschen Psychotherapeutenverband (DPTV), zeigten sich am Freitag optimistisch: Das Gesetz werde wohl in den nächsten zwei Monaten abgesegnet. Dann beginnt der Run der Psychologen auf die Zulassungen. Darf doch ab dem 1. Januar '99 eine Praxis als Psychotherapeut nur noch führen, wer von der Gesundheitsbehörde die nötigen Stempel hat. Reine GesprächstherapeutInnen zum Beispiel bekommen die nicht. Dafür nur Psychologen, die seit Jahren mit den Krankenkassen auch als PsychoanalytikerIn oder VerhaltenstherapeutIn zusammenarbeiten. Vor allem aber wird mit dem neuen Gesetz ein „Bedarf“an Psychotherapeuten festgeschrieben, entsprechend dem Stand von 1996. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten in Bremen gut dreihundert Therapeuten als Ärzte oder Kassenpsychologen. Weitere 150 Psychologen arbeiteten auf Kostenerstattungs-Basis mit einigen Kassen zusammen.

Mehr als diese 450 Therapeuten wird es auch ab 1999 auf Jahre hin nicht geben. Klaus Stratmann, Vertreter der Bremer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) konnte dies am Freitag gar nicht oft genug wiederholen: „Bremen ist für Jahre gesperrtes Gebiet. Wer bisher nicht für die Kassen tätig war, muß sich woanders umsehen.“Ab „nach Pirmasens!“, war denn auch der einzige Ratschlag des Vorsitzenden der Kassenpsychologen, Hans-Jochen Weidhaas: „da gibt es noch Bedarf“.

Bestandssicherung auf den status quo von 1996 also ist das Motto der Psychologenverbände. „Ein Scheitern der Verhandlungen – das wäre schlimmer als der Untergang der Titanic“, so Weidhaas. Denn schlimmer als es in den letzten anderthalb Jahren war, könne es kaum noch kommen, so Hans-Joachim Schwarz von dem DPTV. Seit Oktober '96 ist die Kostenerstattungs-Regelung qua Gerichtsentscheid quasi unterbunden. „Hunderte von Patienten“, so Schwarz, warten seitdem auf eine Behandlung, weil die Kassen sie nicht mehr an die 150 ausgebooteten Psychologen verweisen. Die Vertragsbehandler aber seien ausgebucht. „Trotzdem wiederholt die KV gebetsmühlenartig: Die Behandlung sei sichergestellt. An alle Bremer Ärzte erging der Aufruf: Schreibt keine Notwendigkeitsbescheinigung mehr!“Und die Kassen würden zum großen Teil mitziehen. Vor allem die in Bremen dominierende Handelskasse. „Das ist doch aberwitzig“, so der Präsident des DPTV zur Bremer Situation, „1996 hatten die Kassen das Geld. Und für 1999 versprechen sie es auch. Und nur in 1997/98 soll es plötzlich um ein Drittel weniger Patienten geben?!“

ritz

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