: Geplante Polizeireform in Nordirland umstritten
■ Britische Ministerin will umstrukturieren, die IRA-nahe Sinn Féin lehnt das aber ab
Dublin (taz) – Die britische Regierung hat eine umfassende Reform der Royal Ulster Constabulary (RUC), der nordirischen Polizei, angekündigt. „Es ist notwendig“, sagte die britische Nordirlandministerin Marjorie Mowlam am Montag abend, „Wege zu suchen, um die gesamte Bevölkerung mehr an der Arbeit der Polizei und dem Kampf gegen das Verbrechen zu beteiligen.“
Die Polizei besteht zu weit über neunzig Prozent aus Protestanten, viele Beamte sind Mitglieder in unionistischen Parteien, manche auch in paramilitärischen Organisationen der Loyalisten. In den katholischen Vierteln mißtraut man der RUC zutiefst. Selbst bei Einbrüchen oder Autodiebstählen ruft kaum jemand die Polizei, da sie in dem politischen Konflikt seit 30 Jahren stets Partei ergriffen hat.
Mowlam sagte, die Polizeibehörde, die für die Aufsicht über die RUC zuständig ist, sei zu schwach. Das Regierungspapier stellt deshalb drei Modelle zur Diskussion: Die Nordirlandministerin ernennt künftig die Mitglieder der Behörde nach geographischen Gesichtspunkten, damit alle Teile der Provinz vertreten sind; die Mitglieder werden gewählt oder nach Stimmanteil bei Parlamentswahlen ernannt; oder die Behörde wird mit einer Mischung aus gewählten und ernannten Mitgliedern bestückt.
In den letzten beiden Fällen hätte Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, Anrecht auf eine Reihe von Posten, doch die Partei hat bereits abgewunken. „Die RUC kann nicht reformiert werden“, sagte Sinn-Féin-Vizepräsident Martin McGuinness. „Sie gehört aufgelöst.“ Auch die sozialdemokratische SDLP bezeichnete das Diskussionspapier als „kosmetische Übung, die grundlegende Fragen ignoriert“. Auf der anderen Seite wittert der Presbyterianerpfarrer Ian Paisley von der Democratic Unionist Party hinter Mowlams Vorstoß einen Versuch, Katholiken die Kontrolle über die Polizei zuzuschanzen. Der Vorsitzende der Polizeibehörde, Pat Armstrong, warnte vor einer „hochpolitisierten Institution“.
Lediglich die Ulster Unionist Party (UUP) lehnte das Papier nicht von vornherein ab. Ihr Sicherheitsexperte Ken Maginnis sagte: „Teile sind vernünftig, andere inpraktikabel, aber das ist nicht weiter schlimm.“
Maginnis ist bei Mowlam jedoch in Ungnade gefallen. Sie hat ihm die Zusammenarbeit aufgekündigt, solange er sich nicht bei ihr für seinen Wutanfall entschuldige. Maginnis hatte vorige Woche moniert, daß Mowlam bei den Nordirland-Friedensverhandlungen nicht nur viel öfter die Nationalisten anschaue als die Unionisten, nein, zudem rede sie auch noch alle anderen Teilnehmer mit Vornamen an, seinen UUP-Parteikollegen Dermot Nesbitt jedoch stets mit „Mister Nesbitt“. Als Mowlam sagte, es täte ihr leid, sie kenne Nesbitts Vornamen nicht, bezeichnete Maginnis sie als „verdammte Lügnerin“ – und stürmte wütend aus dem Saal. Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen