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Harter Hund mit Babyface

■ Oberbürgermeister Gerhard Grandke lernte das Saniererhandwerk bei Unternehmensberatern. Früher Gewerkschafter, spart er nun am Personal

Frankfurt/Main (taz) – Mit 36 Jahren war er 1990 der jüngste Stadtkämmerer aller Zeiten in Offenbach. Und im Januar 1994 mit knapp 40 Jahren der jüngste Oberbürgermeister in Hessen. Gerhard Grandke – ein harter Hund mit Babyface.

Bei der ersten Direktwahl ihres OB hatten die OffenbacherInnen die sozialdemokratische „Katze“ Grandke nicht im Sack kaufen müssen. Der studierte Soziologe und Psychologe versprach im Wahlkampf die radikale Umstrukturierung der Stadtverwaltung. Er kündigte die Halbierung der Stellen in der Stadtverwaltung und „leistungsbezogene Entlohnung“ für alle Beschäftigten an.

Grandke gewann die Wahl haushoch (61,6 Prozent) – und hielt alle Versprechungen. „Hau- weg-Grandke“ nannten ihn bald Betroffene und Gewerkschafter. Doch weil der neue OB erfolgreich das 200-Millionen-Mark-Defizit der Lederstadt zum Schrumpfen brachte, fand er Rückendeckung nicht nur bei den BürgerInnen, sondern auch bei der eigenen, den Gewerkschaften eigentlich verbundenen Partei. In den höchsten Tönen lobte etwa die SPD-Unterbezirksvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul (HWZ) „ihren“ Grandke. Der sei der lebende Beweis dafür, daß Sozialdemokraten sehr wohl in der Lage seien, öffentliche Kassen zu sanieren: „Männer wie Grandke braucht das Land.“

Dabei war der Sparkommissar früher selbst Gewerkschafter, Dozent beim Berufsbildungswerk des DGB. Das Saniererhandwerk lernte Grandke allerdings bei den Unternehmensberatern Freiherr von Gleichen und Hirzel, Leder und Partner. „Human Ressource Management“ hieß sein Job dort. Und das heißt im Klartext immer noch: Belegschaften verkleinern. Als Kämmerer von Offenbach schmiedete er Konzepte zur Umsetzung der Erkenntnisse aus dem „Human Ressource Management“ in die Kommunalverwaltung. Als OB setzte er sie um. Klaus-Peter Klingelschmitt

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