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Wand und BodenEkstatisch blinkt das orange Herz

■ Kunst in Berlin jetzt: Dan Kane, Joseas, Die starke Geste

Die ausgebleichte Landschaft von South Dakota ist selten gemalt worden. Zu Unrecht, was sich allerdings erst in einer Fotoserie zeigt, die Dan Kane in den frühen achtziger Jahren gemacht hat. Dort gehen die Brauntöne zart ineinander über, als hätte Mark Rothko die Kamera bedient, und der Himmel strahlt in einem verklärten Blau, das mit keinem Pinsel so dünn aufgetragen werden könnte. Offenbar bezieht Kane den Titel seiner Retrospektive im Amerika Haus einmal nicht auf theoretische Modelle: „Absence/Presence“ meint schlicht das Spiel der Technik mit den Farben. Es ist die Chemie im Entwicklerbad, welche die Dinge bald zum Verschwinden bringt und dann wieder aus dem Dunkel hervorholt.

Die besonders farbbetonende Bildbearbeitung im dye-transfer- Verfahren aus dem Hause Kodak ermöglicht es Kane, jeden Gegenstand in artifizielle Lichtkontraste zu tauchen. Noch auf dem regenverhangenen Highway sticht ein roter VW-Käfer dermaßen bunt hervor, als hätte der Fotograf ihn nachträglich koloriert. Damit stilisiert der 1954 geborene Kane den US-Alltag, selbst wenn er stille häusliche Szenen in bescheidenen Settings abbildet. Gerade aus dieser Besonnenheit bei der Motivwahl resultiert eine seltsam entrückte Stimmung, die über den Dingen liegt. Mal scheint eine Frau auf einer silbernen Kuh in Couchform zu schweben, während eine andere vom abgewetzten Knautschlackledersofa verschluckt zu werden droht. Nur bei Schwarzweißaufnahmen funktioniert der Trick nicht, statt dessen staunt man über die extremen Stellungen der Akte: Nackte Männer sind bei Dan Kane ein Wechselspiel aus Haut und Knochen.

Bis 13.3., Mo.–Fr. 11–17 Uhr, Hardenbergstraße 22–24

Höhere Wesen befehlen: Weitermalen! Bei dem Deutschnigerianer Joseas kommt die enorm spirituelle Wirkung seiner Arbeiten durch einen geschickten Kunstgriff zustande. Zunächst werden grobe Holzplatten mit allerlei Farben expressiv überzogen; dann nimmt Joseas eine Fräse und ritzt verschlungene Linien in das Feld, die er mit Goldbronze ausmalt. Der Effekt ist verblüffend: Wie eine Schnur hält der feinziselierte Strich das Bild zusammen und fügt dabei gleichzeitig die Konturen obskur gezeichneter Gestalten hinzu. Es sind Geistererscheinungen, die Joseas der Mythologie der Orischa-Gottheiten entlehnt hat, die von den Jonuba verehrt werden.

Mitunter ist das Gemisch aus afrikanischem Zauber und westlicher Moderne kaum mehr auseinanderzuhalten. Auf einem völlig realistisch gehaltenen Baum tanzt ein abstrakter Erdgeist, als wäre Manet eine Graffiti-Figur im Wald erschienen. Auf Bildern mit Titeln wie „Oja“ oder „Ogun“ verbinden sich bruitistische Strichmännchen und fett gespachtelte Hintergründe zu höheren Wesen, während „Obtala“ christliche Ikonografie mit krakeligen Ornamenten verbindet. Noch ausgebuffter ist allerdings die Serie mit Herzbildern, für die der 1963 geborene Joseas Pop-art- Helden wie Warhol porträtiert. Vom Gesicht bleibt zwar bloß ein zerklüfteter Farbkrater übrig, dafür blinkt ein orange Herz auf dem Anzug um so ekstatischer. Sehr fremdartig ist auch der Titel unter jenem Bild, das einen ziemlich aufgelöst herumfuchtelnden Herrn vor einem schemenhaft gehaltenen Fensterkreuz darstellt: „Ein Lehrer findet sein Herz hinter einer Theaterkulisse auf dem Dachboden seiner Schule“ – auf diesen mantraartigen Spruch wäre nicht mal ein Neosurrealist wie Damien Hirst gekommen.

Bis 28.3., Mi.–Fr. 12.30–18.30, Sa. 11–14 Uhr, Fischer Kunsthandel & Edition, Carmerstraße 14

Das Realismusstudio der NGBK hat sich in der Vergangenheit mit Positionen auseinandergesetzt, die gegen das realistische Abbild angearbeitet haben. Polly Apfelbaum etwa zeigte in der Ackerstraße Stretchsamtstreifen mit schwarzen Tintenflecken, um die Bauart von Jackson Pollocks Drippings mit weiblichen Menstruationsmythen kurzzuschließen. Das soll nun anders werden: „Die starke Geste“ beschwört geradezu solides Handwerk und klassische Genres. Frederike Feldmann nimmt sich dafür die traditionelle Freskenmalerei vor, Felicitas Franck bevorzugt figurative Skulpturen, und in den Zeichnungen von Regula Zink werden Calvin-Klein-Modelle, Brekers Statuetten und sozialistische Arbeiterdarstellungen mit Selbstporträts gekreuzt – im Rückwärtsgang geht es also voran.

Zumindest der Umgang mit totalitärem Bildmaterial ist bei Zink problematisch. Als Schülerin von Markus Lüpertz hatte sich die gebürtige Freiburgerin schon in den achtziger Jahren an großer Malerei abgearbeitet. Ihre Zeichnungen nehmen die monumentale Darstellung zwar auf, aber die Übertragung von Propaganda in die Werbewelt bleibt allzu vage. Als Bindeglied zwischen Ideologie und Ästhetik bietet Konsumkritik ohnehin eher schwache politische Argumente, zumal der Ostblock längst zeichentechnisch ausgeschlachtet worden ist. Parallel zur Ausstellung kann man die messianische Kraft des Sozialismus übrigens in der Zeitung jungle world überprüfen, die zur Zeit einen Regula-Zink-Starschnitt abdruckt.

Zunächst war auch Felicitas Franck von den Denkmälern des Ostens fasziniert gewesen, nun orientiert sie sich an Menschenbildern quer durch die Kunstgeschichte – Botticelli, Rubens, Millet. Dabei betonen die gegipsten Skulpturen Kitsch und Formalismus gleichermaßen. Am Ende überzieht Franck ihre Figuren mit Paraffin und Pigmenten, wie man es von römischen Souvenirständen kennt. Bei Frederike Feldmann wird das Spiel mit den Vorbildern vollends selbstreferentiell. Ihre braunscheckigen Kühe sind mit dicken Ölschichten direkt auf die Wand gemalt und tragen den Titel „Berlin-Lascaux“, weil man ja schon in der Steinzeit Rindviecher in die Höhlen gemalt hatte. Ob diese Kontinuität der Genügsamkeit aber ausreicht, um sich gegen Kontextkunst und das Verschwinden der Malerei durchzusetzen, ist fraglich.

Bis 29.3., tägl. 12–18.30 Uhr, Oranienstraße 25 Harald Fricke

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