Monströses Familienglück

■ Über Liebe, Leben, Bargeld: Die Musical-Comedy „Wie wär's mit Liebe?“ hatte im Imperial-Theater Premiere

Die Frage ist so neu nicht: Was tut mann, wenn Gattin und Geliebte keine Personalunion mehr bilden? Der spießig-elegante Broker Milt Manville (Donald Gollmann) sieht seine Chance, als er einen einstigen Mitschüler am Brückengeländer herumturnen sieht – und redet Harry Berlin (Frank Thannhäuser) den Todessprung aus, um ihn sogleich mit der angetrauten Ellen (Annette Fischer) zu verkuppeln. Im Wechselspiel werden die Liebeslebensentwürfe verkündet, der Plan gelingt. Ellen und Harry tauschen die Ringe, und Milt ist frei für die präferierte Linda.

Doch nach einem Jahr ist gar nichts anders, und vage schwankt die Erkenntnis im Raum, daß das, was da als Liebe gehandelt wird, das Leben zwar bewahrt, aber selbiges gleichsam vergällt. Linda ist davongelaufen, Milt zum Trödler abgestiegen und der verschrobene Harry muß von Ellen gefüttert werden. Was der zwischen Intellekt, Triebstruktur und Muttersehnsucht Lavierenden nur Recht geschieht, hatte sie Harry doch eine „Butterstullen-Ehe / mit Fruchtgelee“ schmackhaft gemacht.

Am Donnerstag hatte das Comedy-Musical Wie wär's mit Liebe? im Imperial-Theater Premiere. Unter der Regie Nico Rabenalds und der musikalischen Leitung Andrea Simmendingers verliefen die Stimmungswechsel zwischen desperater Paralyse und Cancans auf das Eheglück (!) gekonnt schwungvoll und entzogen sich so allzu überflüssigem Erklärungsbedarf. Wo „erklärt“ wurde, verlor der Dreikampf mit Zweckbündnissen an Reiz: Von geschundener Kindheit mit Kaffeesatz als Hauptmahlzeit zu künden ist ebenso aufregend wie die leitmotivische Binsenweisheit, daß Liebe nicht meßbar ist.

Bei so viel Elend ist die Läuterung nah – als Rückgriff aufs Vertraute: Milt versichert der Ex-Gattin so flehend wie erfolgreich seine Liebe. Aber natürlich muß das neurotische Trio auf der Suche nach Erfüllung fröhlich scheitern. Die wiedervereinten Ellen und Milt treiben den Verlassenen zum Sprung von der Brücke und erspinnen sich ihr monströses Familienheil, den Harry genannten Stammhalter inklusive. Und natürlich mißlingt Trottel Harry auch sein letzter Suizidversuch, so daß alle drei beschwingt ihre Glückssynonyme definieren können, auf die sie zurückgeworfen sind: Milt singt von Bargeld, Ellen von Liebe und Pseudo-Existentialist Harry entscheidet sich fürs Leben.

Nicht sehr originell, aber konsequent, hatte ihn Milt doch schon am Anfang beschworen: „Du hast noch dein ganzes Leben Zeit, dich umzubringen.“ Kann so falsch nicht sein, dachten sich die ZuschauerInnen und zollten der gekonnten Inszenierung einer launischen Vorlage entsprechend anhaltenden Beifall.

Folke Havekost