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Der feine EU-Aspirant

Der slowenischen Wirtschaft ist es trotz des Übergangs vom Kommunismus in den Kapitalismus gelungen, den Anschluß an den Westen zu halten  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Auf der „sonnigen Seite der Alpen“ sehen die zwei Millionen Slowenen ihr Land schon lange. Mit dem für 2002 angepeilten Eintritt in die Europäische Union sollen nun tatsächlich hell strahlende Zeiten beginnen.

Es müssen jedoch noch wichtige Voraussetzungen für den Eintritt geschaffen werden. Zwar hat sich die slowenische Währung Tolar seit ihrer Einführung im Januar 1992 zu einer harten, konvertierbaren Währung gemausert, zwar sind die Staatsfinanzen gemessen am Chaos einiger anderer EU-Aspiranten in Ordnung, ist die Verschuldungsrate sogar niedriger als in vielen Mitgliedsstaaten, und selbst das Bruttosozialprodukt kann sich im europäischen Vergleich sehen lassen: Mit 9.200 US- Dollar pro Kopf liegt es höher als in Portugal und wesentlich höher als in den anderen Beitrittsländern Ungarn, Tschechien, Polen oder Estland. Doch die „Produktivität der Industrie“, so Janes Drnovsek, der Premierminister, „läßt noch zu wünschen übrig“. Das liegt nicht nur an der Schwerindustrie, auch der Maschinenbau und andere alte Industrien müßten abgespeckt werden. Doch angesichts der noch aus dem jugoslawischen System stammenden Mitbestimmungsrechte der Belegschaften ist das politisch nicht so leicht durchzusetzen: Im sozialistischen Jugoslawien und somit auch in Slowenien gehörten die Fabriken nicht dem „Staat“, sondern den Belegschaften. Und die können, im Gegensatz zu den anderen Republiken des ehemaligen Jugoslawien, also im Gegensatz zu Kroatien, Serbien oder dem kriegszerstörten Bosnien-Herzegowina, in Slowenien auch heute noch über die Art und Weise von Privatisierungen mitentscheiden. Damit ist der Prozeß der Privatisierung zwar verlangsamt, aber von der Gesellschaft kontrolliert. Auch deshalb konnte die Arbeitslosigkeit seit 1994 von über vierzehn Prozent wieder unter zwölf Prozent gedrückt werden.

Daß in Slowenien der Übergang vom Sozialismus zum Kapitalismus sanfter als in anderen Ländern bewerkstelligt wird, hängt mit dem politischen Konsens der wichtigsten politischen Kräfte zusammen. In der Wirtschaftspolitik unterscheiden sich Exkommunisten kaum von Liberalen und Sozialdemokraten. Gestritten wird lediglich darüber, ob noch „zu viele alte mit den Kommunisten verbundene Direktoren“ an den Schalthebeln der Wirtschaft sitzen. Dennoch ist es Teilen der Industrie gelungen, Anschluß an Westeuropa zu halten. Slowenische Waren, wie die Kühlschränke und Telefone von „Gorenje“ oder hochwertige Textilien, haben ihren Platz auch in westlichen Ländern gefunden, im Osten und in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien sind sie ohnehin begehrt. Angesichts des steigenden Umsatzes in der Touristik kann das Land mit Zahlungsbilanzüberschüssen aufwarten. Mit einem Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent seit 1994 sind die Grundlagen für eine weitere Modernisierung der Wirtschaft geschaffen worden.

Sorgen bereitet die Landwirtschaft, die vor allem auf Milchwirtschaft basiert und damit die ohnehin vorhandene Überproduktion in Europa verstärkt. Die hochklassigen Weine werden jedoch trotz aller Konkurrenz ihre Absatzmärkte finden. Politischer Konsens ist zudem, daß Slowenien sich für Länder wie Ungarn, Tschechien, Polen, Österreich und die Slowakei als Verbindung zur Adria anbieten soll. Der slowenische Hafen Koper hat schon jetzt die Konkurrenten Triest (Italien) und Rijeka (Kroatien) abgehängt. Fieberhaft wird weiter modernisiert, mit dem Bau einer neuen Eisenbahn und mit dem Ausbau derWest-Ost-Autobahn soll der Hafen sogar für Bayern interessant werden. „Slowenien“, so sagt Exkommunist und Präsident Milan Kucan, „wird trotz aller Schwierigkeiten die Kriterien für die Aufnahme in die EU am ehesten erfüllen.“

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