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Nah an der Katastrophe

Die Titanic-Ausstellung wird verlängert und geht auf Tournee – auf daß die Message vom Untergang bestimmt auch alle erreicht  ■ Von Heike Dierbach

„Sehnsüchte, Träume, Wünsche, Ängste... das Leben ist Titanic“, hat eine Besucherin ins Gästebuch der „Expedition Titanic“-Ausstellung geschrieben. Das hören die Veranstalter gern, denn auch sie leben von der Titanic, beziehungsweise von dem, was von ihr übrigblieb: alte Schuhe, Ferngläser, ein durchlöcherter Hut. Und weil noch nicht alle Norddeutschen die Gelegenheit hatten, diese Unikate zu bewundern, „konnten wir uns nicht erdreisten, die Ausstellung zuzumachen“, gesteht Reinhard Esser, Geschäftsführer der Voyager Titanic Exhibition GmbH. Das Ende ist deshalb noch einmal auf den 30. September vertagt worden, wie gestern auf einer festlichen Pressekonferenz bekanntgegeben wurde.

„Ein Team von jungen Idealisten“habe die Ausstellung so unverwechselbar gemacht, schwärmt Esser. „Die haben nicht nach Acht-Stunden-Tag und Gewerkschaft gefragt“, freut sich auch Peter Tamm. Der Eigentümer des Wissenschaftlichen Instituts für Schiffahrts- und Marinegeschichte beschaffte der Titanic-Ausstellung das nötige Startkapital – was ihm auch einige „Seelenqual“bescherte. Aber über Geld sprechen die Veranstalter nicht gern. Schließlich gehe es um die Message der Ausstellung.

Worin die besteht? Esser bleibt die Antwort schuldig. Hauptsache, die 800.000 BesucherInnen haben's begriffen, dafür bezahlt und hinterlassen im Gästebuch, sie hätten „das Gefühl, diesen Menschen irgendwie ganz nahe zu sein“. Besonders seit dem Kinofilm kommen die Massen, berichtet Esser. Einmal die Reling sehen, an der Leonardo di Caprio vor 86 Jahren mit Kate Winslet knutschte. Titanic lebt!

Und damit diese frohe Botschaft noch mehr Menschen erreicht, tourt die Ausstellung ab Oktober durch Europa. „Das ist uns eine Verpflichtung“, versichert Esser. Aber irgendwann kommt die „Expedition Titanic“vielleicht einmal zurück an die Waterkant, denn das idealistische Team „liebt diese Stadt“.

Und das findet auch Dietrich von Albedyll von der Tourismus-Zentrale gut, immerhin lockt die Titanic so bis Ende September noch zahlende Gäste nach Hamburg. In Hochzeiten seien täglich 500 Titanic-Anfragen bei der Zentrale eingegangen – ein Sechstel aller Anrufe. 30 Millionen Mark Umsatz zusätzlich brachten die Schiffsuntergangs-Fans der Hansestadt. Da ist es wohl das mindeste, daß unser aller Herzen die Ausstellung auf ihrer Jungfernfahrt durch Europa begleiten.

Und vielleicht gibt es ja in 86 Jahren eine Ausstellung „Expedition Titanic Exhibition“– mit verblichenen Eintrittskarten, verrosteten Gabeln vom Buffet der gestrigen Pressekonferenz und Augenzeugenberichten der letzten Überlebenden.

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