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■ Italien beabsichtigt, die lebenslängliche Haftstrafe abzuschaffenFreie Fahrt für freie Mafiosi?

Italien will das Strafmaß „lebenslänglich“ abschaffen. Dies entschied der italienischen Senat. Nun muß nur noch das Abgeordnetenhaus zustimmen, damit der Beschluß zum Gesetz wird. Ist diese Strafrechtsreform zu begrüßen? Angesichts der italienischen Verhältnisse ist dies keine einfach zu beantwortende Frage. Dem Schritt ist ohne Wenn und Aber zuzustimmen, sofern wir für ein humanes Strafrecht streiten, das sich dem Ziel der Resozialisierung verschrieben hat. Allerdings muß dabei berücksichtigt werden, daß derlei nur gelten kann, wenn die Gewaltverbrecher tatsächlich oder mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit resozialisiert werden können. Wo dies nicht zu garantieren ist, muß der Schutz der Bürger vor einem möglichen Rückfall des Gewaltverbrechers den Vorrang haben.

Daß in Italiens Gefängnissen Resozialisierungsmaßnahmen nicht nur Mangelware sind, sondern schlicht nicht existieren, ist bei der jetzt geplanten Gesetzesnovelle jedoch nicht das eigentliche Problem. Zumindest theoretisch ließen sich die fehlenden Programme aufbauen. Das wirkliche Problem liegt woanders. Die Gruppe der „Lebenslänglichen“ setzt sich in Italien nicht aus Einzeltätern oder Amokläufern zusammen, sondern rekrutiert sich aus Angehörigen weitverzeigter, mitunter stark in der Gesellschaft verwurzelter, höchst krimineller Organisationen. Die meisten dieser Organisationen verfügen über ein breites Spektrum an Handlungsmöglichkeiten – von finanziellen Verlockungen bis Todesdrohungen –, sich jede noch so gut resozialisierte Person nach deren Haftentlassung erneut gefügig zu machen.

Wie schwer bis unmöglich eine „Resozialisierung“ für Menschen ist, die seit ihrer Kindheit im verbrecherischen Milieu gelebt haben, zeigt die Erfahrung mit den sogenannten Pentiti, den Mafia- oder Camorra- Aussteigern. Ihnen hat der Staat als Gegenleistung für ihre Aussagen zum Teil ansehnliche Starthilfen für einen Neuanfang gegeben, mitunter bis zu einer halben Million Mark (!) pro Jahr. Dennoch wurden viele von ihnen wieder straffällig, einige mordeten weiter, noch während sie dem staatlichen Schutzprogramm unterstanden haben.

Die Rechte, aber auch der linksliberale Justizminister Flick halten die Abschaffung von „lebenslänglich“ – auch wenn die an die Stelle gesetzten 33 Jahre eine Menge Zeit sind – zumindest in Italien für eine Ermutigung der Bosse und Killer von Mafia und Camorra. So ganz von der Hand zu weisen ist dieses Argument nicht. Werner Raith

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