: Nur in Berlin ist es noch düsterer
■ Arbeiterkammer veröffentlicht Analyse der aktuellen Situation für Ausbildungsplätze / Nur jede/r Dritte hat Chance auf Stelle
Die Arbeiterkammer Bremen schlägt angesichts der aktuellen Ausbildungsplatzsituation Alarm: Die Hansestadt spielt in Westdeutschland gegen den Abstieg. Nur in Berlin ist die Situation noch bedrohlicher, heißt es in einer Stellungnahme. Demnach ist die Anzahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zehn Prozent und im Vergleich zu 1994 um satte 55 Prozent gestiegen. Ein trauriger Rekord, so die Arbeiterkammer.
Genau aufgeschlüsselt ergibt sich folgendes Bild: Jeweils Ende Juni und damit kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres waren allein im Arbeitsamtsbezirk Bremen 1994 exakt 1.344 BewerberInnen ohne Lehre. Zwei Jahre später waren es bereits 1.606. Und in diesem Jahr ermittelte die Arbeiterkammer 2.081 „unversorgte Jugendliche“. Damit fallen rein rechnerisch in Bremen und Bremerhaven auf einen noch freien Ausbildungsplatz fast drei junge Menschen ohne Lehre. Exakt sind dies laut Kammer 2.814 BewerberInnen auf 1.026 Stellen.
Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit führt Bremen nach Berlin die Negativliste mit 16 Prozent bei allen bis zu 25jährigen an. In Westdeutschland liegt der Durchschnitt bei 9,9 Prozent, in Ostdeutschland bei 14,8 Prozent. Entsprechend hoch ist auch laut Arbeiterkammer der Anteil der Ungelernten an den unter 25jährigen mit 66,2 Prozent (Westdeutschland: 59,2 Prozent).
Als weiteres Problem weist die Arbeiterkammer auf massive Verdrängungsprozesse auf dem Ausbildungsmarkt hin. 15,8 Prozent der ausländischen BewerberInnen waren im Gegensatz zu 10,1 Prozent der deutschen im September 1997 zu Beginn des Ausbildungsjahres noch nicht vermittelt.
Angesichts dieser Zahlen fordert die Arbeiterkammer jetzt Betriebe und Unternehmen auf, ihre Ausbildungsleistung noch einmal deutlich zu erhöhen. Das gelte vor allem für Bereiche, in denen die Zahlen rückläufig seien wie bei der Handwerks- und Ärztekammer. Sollte dies nicht gelingen, müßten verstärkt außerbetriebliche und schulische Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Auch wenn diese oft nur eine Warteschleife für die Jugendlichen darstellen würden. All dies sei zudem die Grundvoraussetzung dafür, daß es nicht zu weiteren Verdrängungsprozessen mit den zu befürchtenden sozialen und gesellschaftspolitischen Folgen komme.
Dieser harschen Kritik will sich die Bremer Arbeitsbehörde nicht anschließen. „Die Lage ist ernst, aber nicht ganz so dramatisch“, sagt Jörg Henschen, Sprecher von Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD). Zum einen habe sich die Anzahl der Angebote in Bremen erhöht, während sie im gesamten Bundesgebiet rückläufig gewesen seien. „Und zum anderen muß man sich die Zahlen im September betrachten. Bis dahin geht die alarmierende Anzahl der unversorgten Jugendlichen nämlich noch einmal um mindestens die Hälfte zurück“, so Henschen. Zudem rügt Henschen die statistische Basis der Arbeiterkammer. „Betrachtet man sich die Jugendlichen bis 20 Jahre, steht Bremen gar nicht so schlecht da.“ Dann sind in der Hansestadt 10,8 Prozent ohne Job, in Nordrhein-Westfalen 12,1 und in Berlin 15,5 Prozent.
Auch das Problem der Ausbildungsplätze für ausländische Jugendliche sei nicht neu. Dafür hat die Arbeitsbehörde aber bereits ein Programm aufgelegt. Diese „Beratungsstelle für die Qualifizierung ausländischer Nachwuchskräfte“ kümmert sich um die rund 2.000 ausländischen Betriebe in Bremen und versucht dort neue Lehrstellen zu schaffen. Es werden für die Firmen Ausbildungseignungskurse angeboten. „Das alles geht aber nicht von heute auf morgen. Teilweise wissen die Betriebe gar nicht, welche Förder- und Ausbildungsmöglichkeiten bestehen.“ Daran werde man auch in der kommenden Zeit verstärkt arbeiten. Jeti
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