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Farmen vor Helgoland

■ Forscher jubeln / Algen geben der Menschheit eine Perspektive: Vitamin C, Abwendung der Klimakatastrophe, stabile Zahnpasta Von Stefan Kreft

Den Streßstau der Großstadtfrusties, den vereinigten kontinentalen Unrat – alles muß er schlucken und wiedergutmachen, unser blanker Hans. Wer „Baywatch“ oder spannende Verfolgungsjagden auf Ölbohrtürme verfolgt oder gelegentlich auf Helgoland sein Krabbenbrötchen verspeist (vergeblich der Versuch, in der Menge einen Blick auf die See zu erhaschen), der ahnt, daß das Meer niemals mehr Ruhe finden wird.

Auch die Wissenschaft will ihm die Ruhe nicht lassen. Sie traut dem Großen Wasser Erstaunliches zu: Neue kulinarische Genüsse, aber auch ernsthaft Nützliches wie Treibstoffproduktion, Schwermetallentlastung, selbständige Küstensäuberung...

Wie kann das gehen, wer soll das leisten? Ausgerechnet die Algen, das grün-braun changierende Glibberzeug haben sich die MeeresbiologInnen dafür ausgeguckt. Muß das sein? Die herrschende Lehrmeinung besagt: ja. 1001 Argument für die Pflanzen des Meeres:

Algen im Mund I: Alginate aus Großalgen sichern die Konsistenz von Zahnpasta, die sich allabendlich so zuverlässig auf die Bürste legt. Die verantwortlichen Phykokolloide leisten ähnliches auch für Marmelade, Pudding, Joghurt, für Speiseeis und Bonbonfüllungen, Lippenstift und Cremes.

Eine siebenköpfige Arbeitsgruppe der Biologischen Anstalt Helgoland (BAH) hat ein System riesiger Strickleitern für eine „Algenfarm“ entwickelt. Waagerecht im Wasser treibend, wird es von Laminaria saccharina, vulgo: Zuckertang, gerne zum Bewuchs angenommen.

Algen fürs Auto: Das Biogas Methan entsteht nicht nur massenhaft im verdauenden Rind, sondern auch, wenn man solche Großalgen vergärt. BAH-Projektleiter Professor Klaus Lüning erträumt sich Methan als Brennstoff in Motoren und Heizungen. Kein Wort zur bekannt muffigen Duftnote des Gases...

Algen für Angela: Geben die Meeresfarmen der Atmosphäre eine Perspektive? Lüning zitiert eine US-Studie, wonach es 200 Milliarden Dollar kosten würde, eine Gigatonne Kohlenstoff, das ist ein Siebtel der Weltjahresüberproduktion, durch Algen aus der Atmosphäre zu holen. Klimagipfel-geschädigte Umweltministerinnen werden sich eine derartige Investition überlegen.

Algen-Putze: Wie der Ekeltest an der Adria bewies – Meeresalgen freuen sich über die trübe Brühe, die wir an unseren Küsten produzieren. Aber jede Alge auf der Leine ist eine weniger am Strand.

Adolf Weber, Professor für Botanik an der Uni Hamburg, hat außerdem Großalgen zerkleinert und sie Schwermetalle aus Abwässern filtern lassen. Das Algen-Klein leistet dabei Optimales. Nachher kann man die Schwermetalle herauswaschen und die Pflanzenstücke sogar wiederverwenden.

Algen im Mund II: Reich an Vitamin C wie Zitronen sind viele Meeresalgen. Nori, Wakame, Kombu heißen die Spezialitäten aus Fernost – die dort gar keine sind. 1,8 Milliarden US-Dollar werden allein mit Nori umgesetzt.

Algen-Salat im taz-Geschmackstest: Prächtig!

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