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„Die Musik des Volks spielen“

■ Der Tenorsaxophonist, Black-Music-Professor und Rädelsführer der schwarzen Sache Archie Shepp macht keine halben Sachen

„Archie Shepp ist ein sehr wichtiger junger Tenorsaxophonist“, schrieb der schwarze Poet, Kritiker und Fan Leroi Jones (Amiri Baraka) 1964 im Down Beat. „Er verbindet einen großen, eleganten Blueston mit einer rhythmischen Gewalt, die manche an Ben Webster erinnert – kein schlechter Vergleich. Aber Archie hat Neues und Wichtiges zu sagen.“ Als Kontrast dazu kolportierte Leroi Jones in seinem Buch Black Music einen Leserbrief aus den guten, alten 60ern: „Wenn es mehr Woody Hermans und weniger oder gar keine Archie Shepps gäbe, wäre der Jazz um vieles gesünder“, fuhr da ein gewisser Dave Yost aus seiner (garantiert weißen) Haut. Was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht.

Wie es mit dem einzig wahren Archie Shepp weiterging, ist in groben Zügen bekannt: halbe Sachen waren nicht länger sein Ding. „Wir müssen die Musik des Volkes spielen können, sonst sind wir nichts als bourgeoise Snobs.“ Das ist unverkennbar O-Ton Shepp, jede Verlautbarung ein Credo. So wie er fast alle seine Platten als Proklamationen schwarzer, allenfalls afroamerikanischer Musik verstanden wissen wollte. Mit dem Wörtchen Jazz hat der heute 61jährige seinen Frieden noch immer nicht gemacht: „Ich denke nicht so eingegrenzt, ich habe auch Leute wie Chuck D, Snoop Doggy Dog und Prince im Kopf, eben Musiker, die die Kids ansprechen. Heute ist Charlie Parker Prince und Coltrane Michael Jackson“, äußerte er Mai letzten Jahres in einem Interview in der Jazzthetik.

Daß er sich im Vergleich zu den genannten Jungspunden (und auch zu Wynton Marsalis & Co.) nicht genügend gewürdigt sieht, ist für einen gestandenen Rädelsführer wie Shepp Pflicht. Wer über Jahrzehnte für die Verbreitung der schwarzen Sache geschuftet hat, auch als Theaterautor und Professor für Black-Music-Geschichte, wird sich ja wohl noch aufregen dürfen. Um allen weiteren Dampf dann singenderweise (ob mit oder ohne Saxophon) abzulassen. Shepps musikalische Praxis lebt von seiner Launigkeit. Die erst macht seinen Ton – wenn er denn kommt – unwiderstehlich. Das Repertoire ist ohnehin ein imponierender Reigen, in dem „Mama Rose“, die sehr wandelbare Hymne auf Archies Großmutter und Malcolm X, auch diesmal nicht fehlen wird.

Andreas Schäfler

Mi, 26. August, 21 Uhr, Fabrik

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