Danke (3): „Daddy bringt dich um“
■ In einem Roggenfeld fängt ein Kanzler mich auf – und ich fange lächelnd die Süßekleine
Es ist verrückt. Superverrückt. Immer wenn ich die Augen schließe, sehe ich diese verblühte Landschaft. Ich sehe ein verdammtes abgemähtes Roggenfeld und an dessen Ende eine Klippe, auf die ich zurenne. Dann steht da plötzlich zwischen Abgrund und mir – im grauen Sommeranzug – er. Ich sehe, wie er sich mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand über einer buschigen Augenbraue kratzt. Ich bin direkt am Abgrund. Meine Füße verlieren den Boden. Jetzt lächelt er. Dann fängt er mich auf.
Was ich heute noch zweifelsfrei sagen kann, ist, daß ich das schon geträumt habe, lang bevor er Kanzler war. Es war wahrscheinlich kurz nachdem sich das Bild in mich fraß, wie er sich die Süßekleine um die rechte Schulter legt. Vielleicht war es auch das Bild im Stern. Um seinen Kopf ungefähr zwei Brüste. Das bewegte etwas in mir. Eines Tages tauchte dann am Ortsausgang von Neubrandenburg ein Plakat auf. Er. Unter seinem ernsten Gesicht ein Wort: Jesus. In diesem Moment sprach eine Stimme aus dem Autoradio: Dieser Mann kann über Wasser gehen – oder mit kleinen Jungs ins Bett.
Um ganz ehrlich zu sein, den größten Eindruck machte auf mich, wie er irgendwo auf dieser Welt den Kameras befahl, zu laufen, und dann die Süßekleine anrief. Dieses wunderbare Lächeln im Gesicht, sprach er zu Süßekleine den Satz: „Nichts über Sehnsüchte.“
Damit hat er mich endgültig gekriegt. Sehnsüchte. Was für ein verdammtes Wort. Wer hat das je zu seiner Frau Bundeskanzler gesagt? Manchmal kommt ja Tscharlie, bringt Pudding und will mich mit Gerede von vagen ökonomischen Konzepten ermorden. Ich sage nur eiskalt: Sehnsüchte kannst du nicht an die Wand nageln, Tscharlie. Dann spreche ich schnell von einer haarigen Hand und wie ich sie mal zart das Chassis eines Volkswagens streicheln sah. Von dem Moment an war ich sicher, daß er es tatsächlich ihr besorgt. Das habe ich Tscharlie auch gesagt, als mal wieder gefragt wurde, wo er eigentlich stehe? Eine saudumme Frage, Tscharlie, habe ich da gesagt. Hauptsache ist doch, daß er steht.
Was ich Tscharlie lieber nicht erzähle, ist, daß ich seit ein paar Tagen noch einen zweiten Traum träume. Darin blüht das Roggenfeld wie verrückt. In diesem Traum fange ich – und zwar die Süßekleine. Dann wird erst mal gelächelt, aber irgendwann sagt die Süßekleine zu mir: „Daddy Gerd wird dich dafür umbringen.“ Wen?
Ich kratze mich mit dem Zeigefinger der Rechten über meiner Braue. Tscharlie sagt, das sei Unsinn, aber ich merke doch, wie buschig sie plötzlich geworden ist.
Nächste Woche: Bringt Daddy Gerd jemand dafür um? Werden die Brauen buschiger? Heißt Tscharlie in Wahrheit Hillu? Peter Unfried
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