: Postkoitale Trauerarbeit
In Brigitte Roüans Film „Post coitum, animal triste“ verliebt sich eine Mittvierzigerin unglücklich in einen Twen. Der einen Leid ist dabei wenigstens eines anderen Buch ■ Von Gerrit Bartels
Ein Szenario der furchtbaren Sorte, mit dem Brigitte Roüan in ihrem Film „Post coitum, animale triste“ den Betrachter zu Beginn konfrontiert: Eine Frau im Morgenmantel, die schreit, die wimmert, die sich verflucht, die sich quält, die am Boden zerstört ist. Dazu schmachtet Eros Ramazotti eine berühmte Liebeschnulze und verursacht zusätzliche Qual.
Um Liebe geht es also, um das ach so schlimme Leid, das sie verursachen kann, und den fürchterlichen Kater danach. Und schlimmer wird das alles noch, wenn es eine Mittvierzigerin ist, die sich in einen schönen Jüngling verliebt, eine anständige Bürgerin in einen sich auf der Durchreise befindenden Burschen vom Lande (Vorsicht, hier lockt das Klischee!). Verkehrte Welt, vermeintlich, und eine verspätete Antwort auf Truffauts Film „Die süße Haut“ wo es ein Mann war, der sich in eine viel jüngere und emotional völlig unbeteiligte Frau verliebte. Es braucht dann eigentlich auch nicht die wiederholte Montage jener oben beschriebenen Szene, um zu wissen, wohin die Reise geht. Was Diane, höchstpersönlich von Brigitte Roüan gespielt, naturgemäß erst einmal nicht stört. Sie ist Lektorin in einem Pariser Verlag und scheint sich bevorzugt um junge Schriftsteller kümmern zu müssen. Und sie ist verheiratet mit einem Anwalt (Patrick Chesnais) und hat mit diesem zwei Kinder. Glücklich würde sie ihr Leben wahrscheinlich nicht nennen wollen, es ist eher gekennzeichnet durch milde Zufriedenheit und ereignislose Alltäglichkeit.
Da kommt ein Adonis wie Emilio (Boris Terral) gerade recht. Diane ziert sich zwar noch – erlauben es Alter und Stellung eine sogenannte Amour fou zu beginnen? – doch derartige Zweifel werden von ihr schnell über Bord geworfen, und der Reigen kann beginnen.
Beruhigend beim Schauen des Films ist, daß es Diane in erster Linie um Schönheit, Spaß und Sex zu gehen scheint, auch der Titel, den sich Roüan bei keinem geringeren als Ovid geliehen hat, deutet es an. Beunruhigend aber, daß sie irgendwann, Emilio hat da schon seinen Rückzug signalisiert, vor dem Spiegel steht, ihre schlaffe Haut kontrolliert und ihre Brüste als „zwei Greise“ bezeichnet.
Ein Graus für alle Feministinnen, auch für an Madonna und Courtney Love geschulte Postfeministinnen, und sicher ein Grund dafür, daß Brigitte Roüan die Rolle der Diane selber übernehmen mußte. Parallel zu ihrer Liebesgeschichte erzählt Roüan dann noch zwei andere, die eine genauso problematisch wie Dianes Selbstaufgabe und ihre sich anschließende Verwahrlosung, die andere ganz hilfreich.
So sorgt die Ebene der Empfindungen auch dafür, daß die Kunstproduktion ordentlich angekurbelt wird: Einer der Schützlinge von Diane, der sich am Anfang des Films noch in einer schweren Schaffenskrise befindet, bekommt seinen Roman nicht zuletzt durch Dianes authentisch gelebten Inspirationen zu Ende. Der Liebe Tod ist schließlich noch immer die Geburt der Kunst. Und ihrem Mann verhilft die häusliche Ehekrise zu Verständnis und einem fulminanten Plädoyer für eine Mandantin, die ihren Mann mit einem Küchenmesser ins Jenseits befördert hat.
„Post coitum, animal triste“. Frankreich 1997, 97 Min, OmU. Regie, Buch und Diane: Brigitte Roüan. Mit Boris Terral, Patrick Chesnais, Nils Tavernier, ab 17.9 im fsk, 18 Uhr und 20 Uhr
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