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Zwischen den RillenReise durchs Wohnzimmer

■ Jad Fair, Chris Knox und Silver Jews im kleinen Indie-Lo-Fi-Contest

Die Sehnsucht scheint groß zu sein nach einer Rockmusik, die mehr nach innen als nach außen strahlt, die was gegen schnelle Kicks genauso hat wie gegen Konzepte, die schmucklos, aber schön ist. Blaß, ungesund, unscheinbar, manchmal verlebt, manchmal wie Eckensteher mit großen Brillen auf der Nase – so wirkten sie vor vier, fünf Jahren alle, die Musiker, die da in ihren Schlupfwinkeln aufgespürt und flächendeckend auch in großen Kultur- oder Lifestyle-Magazinen als Rettung von Indie-Rock gefeiert wurden:

Homerecording hieß die Musik der Stunde, Lo-Fidelity-Rock oder Wohnzimmermusik, bei der auf eine Idee umwegslos auch eine Aufnahme folgte. Doch außer Beck, der sich gut als Lo-Fi- und Post-Gen-X-Ikone verkaufte, wurden aus Außenseitern und Teenage Cavemen wie Robert Pollard, Bill Callaghan oder Lou Barlow dann doch nicht die Popstars, die eine ganze Dekade bestimmen sollten. Gewerkelt wird aber weiterhin in Verschlägen und Hinterzimmern, sehr unkontrolliert, was Output und Aufmerksamkeit anbetrifft, aber mit Ergebnissen, die Fans wie Musiker nach wie vor die Antwort auf die Frage: Mitmachen und durchstarten oder sich dauerhaft verweigern? auf die lange Bank schieben läßt. Survivalmusik, wenn man so will; Musik, die sich oft, aber auch auch nur zufällig ergibt.

Wie zum Beispiel die Produktion, die Jad Fair, einer der dienstältesten Lo-Fi-Musiker, mit Yo La Tengo gemacht hat. Man traf sich auf einer Party, spielte dort zusammen ein paar Lieder und entschied dann, ins Studio zu gehen: „Jad hatte einen Stapel Texte dabei, allesamt inspiriert von Schlagzeilen, die sein Bruder David für diverse Supermarkt-Revolverblätter geschrieben hatte. Wir drei machten uns sofort an die Songstrukturen.“ So beschreibt Ira Kaplan, der Vorturner von Yo La Tengo, im Booklet die Zusammenarbeit für das live und ohne Proben eingespielte Album „Strange But True“. Das klingt dann natürlich rauh und unfertig und wie es der Titel nahelegt: Jad Fairs überdreht-abgedrehte Stimme, die noch überdrehteren Songtitel wie „Retired Woman Starts New Career in Monkey Fashions“ oder „Ohio Town Saved From Killer Bees by Hungry Vampire Bats“, und die typisch scheppernden Yo-La-Tengo-Velvet- Gitarren, die mit ihren wenigen Akkorden in drei Minuten die Welt erklären können. Sounds und Inhalte, die jedem Modernisierungsdruck standhalten und nie und nimmer Rolling Stone- Cover-kompatibel sein werden.

Das neuseeländische Pendant zu Jad Fair ist Chris Knox. Mitte der Achtziger stieß man über einem Sampler mit neuseeländischer Musik auch in Europa auf seinen Namen. Doch den Drang, wenigstens ein bißchen berühmt oder reich zu werden und nach England oder Amerika überzusiedeln, wie es Kollegen von den Chills oder The Clean taten, hatte Knox anscheinend nicht. Er reiste lieber weiter durch sein Wohnzimmer, betätigte sich als Film- und Videoregisseur, schrieb für neuseeländische Magazine und Fernsehsender und blieb eine Lokalgröße.

„Yes!!“ heißt sein überraschenderweise erst sechstes Album (wenn die Plattenfirma da man richtig gezählt hat!), aufgenommen allein und zu Hause, mit Mikro, Gitarren und Drumcomputer. Mit letzterem läßt Knox schön die Wände wackeln, der gibt so Gas, als ob Knox seinen damaligen Tall-Dwarfs-Hit „The Brain That Wouldn't Die“ gleich dreizehnmal toppen wollte. Knox komponiert Songs, die ihm nachts beim Blick in den Kühlschrank eingefallen sein müssen, beeindruckt aber mit Melodien, die auf jedem Kindergeburtstag Anklang fänden: Wenn Jad Fair immer mit einem Bein in der Psychiatrie steht, hat man bei Knox das Gefühl, er wolle noch immer mit Legos oder Fischer-Technik in seinem Kinderzimmer spielen. Doch das ist natürlich auch Programm: „I'm Chris Knox and I'm nearly 45 years old and still don't know any better.“

Im Schatten junger Pavement- Blüte standen immer die Silver Jews, die dritten in diesem kleinen Indie-Lo-Fi-Contest. Hauptsächlich wahrgenommen als Spielwiese von Pavement-Sänger Stephen Malkmus, vergaß man oft, daß sie in David Berman einen nicht weniger eigenwilligen und klugen Bandleader hatten; einen, der gern damit kokettierte, Dilettant und untalentierter Musiker zu sein, und der über das Zusammenspiel mit Malkmus 1995 in einem Interview mit der Spex behauptete: „Ich lebe über meine Verhältnisse, und Steve geht ständig unter seinen Fähigkeiten.“

Von Zufälligkeiten und Seiteneinstiegen mag man aber bei „American Water“, dem dritten Album der Silver Jews innerhalb von vier Jahren, auch schon nicht mehr reden. Wer da nun wieviel gibt, mag beim Hören sowieso egal sein, bis auf zwei Ausnahmen jedenfalls hat Berman alle Songs selbst geschrieben. Mit der ersten von Berman gesungenen Zeile befindet man sich in einer Welt aus Americana und Loner- Songs. Die sind zum Teil sehr warm („Smith&Jones Forever“, „The Wild Kindness“), zum Teil sehr traurig („Honk If Your Lonely“), selten krude („Night Society“), und natürlich würde jeder auf einer Pavement-Platte eine mehr als gute Figur machen.

Alles keine Musik, mit der man angeben oder seine Freunde beeindrucken kann, Hoffnungen wie diese von Berman besungene vermitteln sie aber durchgängig: „The morning will find us with a smile on our face and we'll be togehter in a lover's embrace.“ Gerrit Bartels

Jad Fair & Yo La Tengo: „Strange But True“; Chris Knox: „Yes!“; Silver Jews: „American Water“ (alle Matador/Rough Trade)

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