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Schöner wohnen auspendeln

Feng-Shui-Berater liegen im Trend. Mit Wünschelrute und Spektralbrille ziehen sie aus, die Wohnqualität nach chinesischer Lehre zu verbessern. In Räumen wird das „Qi“ gefangen  ■ Von Kirsten Küppers

Ausgesprochenen Abscheu hegt Robert Schmitz gegen Yucca- Palmen. „Die strömen unangenehme Energiefelder aus“, behauptet der Feng-Shui-Berater und verzieht angewidert sein Gesicht. Kakteen seien auch nicht viel besser. Die sollte man nicht auf dem Nachttisch stehen haben. Zwar hat Matthias Krümmel bei den Pflanzen keine Fehler gemacht. Dafür liegt in der Wohnung des Ethnologiestudenten einiges andere nach Feng-Shui-Kriterien im argen. Um dies ins Harmonie- Lot zu bringen, hat sich Wünschelrutenfreund Krümmel den Feng- Shui-Berater engagiert. Der soll ihm erklären, wie er seine Zimmer in Zukunft einrichten soll.

Im Vorfeld mußte Krümmel bei Robert Schmitz Datum und Stunde seiner Geburt und einen Grundriß seiner Zweizimmerwohnung abliefern. Jetzt schwirrt der Experte geschäftig von Raum zu Raum.

Die Himmelsrichtungen werden in der Küche per Kompaß ausgelotet, mit der Wünschelrute prüft Schmitz Energieströme im Schlafzimmer, das Pendel packt er im Wohnzimmer aus, im Flur wird mit einem heftig fiepsenden Gerät Elektrosmog gemessen. Schließlich wird auch noch das Licht in der Toilette mit einer neonrosafarbenen Spektralbrille kontrolliert.

Immer neue Utensilien holt der Berater aus seinem braunen Köfferchen. Nachdem er auf diverse Papiere mit grünen und roten Filzstiften viele Zahlen in kleine Kästchen eingetragen hat und diese mit zahlreichen Tabellenwerken abgeglichen hat, ist die Wohnungsdiagnose klar.

Feng Shui wurde vor rund 6.000 Jahren in China entwickelt. Während es ursprünglich um eine energieharmonische Landschaftsgestaltung ging, kümmern sich die etwa 50 Feng-Shui-Berater in Deutschland heute vor allem um Häuser und Wohnungen. Denn 90 Prozent seiner Lebenszeit hält man sich in geschlossenen Räumen auf.

Ob ein Haus krank ist oder nicht, hängt von der Menge des „Qi“ ab. Dieser sogenannte „Brennstoff des Lebens“ „kommt durch die Türen herein“, erklärt Schmitz, „und rauscht auf der Qi- Autobahn durch die Fenster wieder hinaus“.

Nach der alten chinesischen Lehre gilt es, möglichst viel Qi in seinen Räumen einzufangen. Darum rät der Feng-Shui-Berater dem Studenten, Windspiele und Kristallkugeln an seine Fenster zu hängen. Diese würden dem Qi den Weg nach draußen versperren. Außerdem sollte er seinen Flur „in warmen Erdtönen“ streichen, weil der in Nordwest-Richtung liegt.

Die Feng-Shui-Lehre weist jedem Raum acht Bereiche zu, die jeweils verschiedene Funktionen erfüllen. Die „Karriere-Ecke“ steht zum Beispiel für den Reichtum des jeweiligen Bewohners. Ganz bestürzt ist Robert Schmitz vom verwaisten Zustand von Krümmels „Partnerschafts-Ecke“. Traurig steht dort nur eine grüne Plastikgießkanne auf dem Boden. Ein Rosenstrauß oder ein Poster mit Pärchen vor Sonnenuntergang tue da manchmal Wunder. In der Küche neben dem Fenster empfiehlt der Berater in der „Ecke der hilfreichen Freunde“ ein Schälchen mit Keksen und Obst aufzustellen. Natürlich müßten solche kleinen Altäre auch immer gut gepflegt werden.

Außerdem sollte Matthias Krümmel seinen Schreibtisch so stellen, daß er nicht mit dem Rücken zur Tür sitzt. „Das ist ein uralter Höhlenmenscheninstinkt“, erklärt er. „Man soll den Bär sehen, der reinkommt.“ Überhaupt machten viele Leute von sich aus alles richtig, findet Schmitz. „Chefs sitzen zum Beispiel immer mit Blick zur Tür.“ Zwischen 300 und 500 Mark verlangt Schmitz für eine dreistündige Beratung. Bei schwierigen Fällen bereitet er sich vor der Tür noch mit ein paar Qi-Gong- Übungen vor. Als Esoteriker sieht der 30jährige sich nicht. „Feng Shui ist Tausende Jahre älter als jede New-Age-Mode“, erzählt Schmitz, der in seiner Freizeit gerne kantonesische Popmusik hört.

Der gelernte Diplomingenieur verdient seit einem Jahr sein Geld als Feng-Shui-Experte. Seine 12monatige, 7.000 Mark teure Ausbildung zum Feng-Shui-Berater wurde sogar vom Arbeitsamt Kreuzberg gefördert. Seine Kunden sind Angestellte, Handwerker und Studenten. Auch Werbeagenturen, Arztpraxen und Architekten leisten sich mittlerweile eine Feng-Shui-Beratung.

Die Branche boomt. Robert Schmitz akquiriert seine Kunden inzwischen allein über Mundpropaganda und ist dabei total im Streß: Zu zwei bis fünf Terminen ist er pro Woche unterwegs. An drei Wochenenden im Monat bildet er angehende Feng-Shui-Berater aus. Die Kurse sind voll. Darum hat der „Verein Internationales Forum: Feng Shui e.V.“ die Nummer 0180-5240888 eingerichtet, wo alle Fragen rund um die chinesische Kunst telefonisch beantwortet werden.

Neuigkeiten kann man im Newsletter nachlesen. Berlin besitzt obendrein den einzigen Laden Deutschlands für Feng-Shui-Accessoires. In der „Feng Shui Handlung“ im Bezirk Schöneberg gibt es vom Wasserfallposter über den Miniaturlöwen aus Jade bis zum Zimmerspringbrunnen jeden Nippes, den man für das Ausstaffieren eines Feng-Shui-Haushaltes benötigt.

Zum Abschluß legt Schmitz seinem Klienten Matthias noch das „Fünf-Elemente-Kochbuch“ nahe. „Das ist das Feng Shui im Kochtopf“, schwärmt er. Es käme dabei besonders auf die Reihenfolge des Würzens an. Matthias weiß noch nicht so recht. Er kommt bisher mit seinem Ratgeber „Das Tao in der Küche“ ganz gut über die Runden.

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