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Lieber Rainer B.! Von Susanne Fischer

Zugegeben, ich bin selbst schuld. Ich bin freiwillig dem Sportverein beigetreten oder jedenfalls beinahe. Auf dem Dorf muß man irgendwo Mitglied sein, und ich wollte weder in die Freiwillige Feuerwehr noch in den Schützenverein, obwohl ich inzwischen, nach fünf Jahren Landleben, meine Gründe dafür schon beinahe vergessen habe. So wurdest du, Rainer B., mein erster Vorsitzender, und seitdem schreibst du mir.

Du möchtest mein Interesse „für die Mithilfe im normalen Vereinsleben“ wecken. Das, Rainer B., klingt für mich sehr, sehr ungut.

Wenn ich kurz erinnern darf: Ich wollte in diesem Verein ganz normal an der Gymnastik teilnehmen. Es hätte mir zu denken geben sollen, daß in der Abteilung keine Männer zugelassen waren und die Damen ihr Strickzeug mitbrachten. Da hätte ich gern mit einer Peitsche dem normalen Vereinsleben aufgeholfen, aber damals hat mich keiner gefragt.

Auch erfuhr ich nach und nach, daß meine Gymnastikgruppe nur für zwei Höhepunkte im Jahr existiert. Ad 1: Bescheuert, aber einheitlich verkleidet und sturzbesoffen am Schützenumzug mitwirken. Ad 2: Unmengen von Keksen backen und auf dem Weihnachtsmarkt verkaufen, um mit den Einnahmen die bescheuerten Kostüme für den Schützenumzug zu finanzieren. Nur durch übermäßige Spenden kann man sich von diesen Vergnügungen loskaufen, und so wurde mir meine Gymnastikgruppe auf die Dauer zu teuer.

Da geschieht es mir recht, daß du mir jetzt mit sonderbaren Weisheiten („Ehrenamtliche Tätigkeit ist GEBEN und NEHMEN“) drohst und mir einen Fragebogen aufhalst, in dem ich bekennen soll, welches Amt mir für meine gymnastikerfahrene Person als geeignet erscheint. Zuerst wollte ich natürlich „1. Vorsitzender“ schreiben, aber dann fiel mir ein, daß man das mit etwas Pech tatsächlich auch werden kann. Schiedsrichter beim Fußball wäre ich gern, aber ich fürchte, dafür braucht man irgendeine Qualifikation.

Bei der Sportwoche „Theke machen“, wie es hier heißt – das möchte ich lieber nicht, wenn ich daran denke, wie lustig die Sportler nach dem siebzehnten Bier werden. Ich habe nämlich keinen Humor, nicht mal ehrenamtlich.

Auch die Dachdeckerarbeiten am neuen „Sportlerheim“ könnte ich allenfalls mit etwas Nudelsalat voranbringen. Der ist bereits im Tennisverein meines Mannes sehr gefürchtet und wird demnächst auch noch die Kulturinitiative davon überzeugen, daß ich für ehrenamtliche Tätigkeiten komplett ungeeignet bin. Aber du, Rainer B., bist es auch. Dein „neues Sponsoringkonzept“ sieht vor, daß von „jeder gebuchten Reise“ der Vereinsmitglieder bei der „LM7-Reiseagentur“ drei Prozent des Reisepreises an den Sportverein gehen. „Großzügig“ nennst du das. In der Tat, wenn man bedenkt, daß die Reiseagentur deiner Frau gehört. Bei 800 pauschalreisenden Mitgliedern und ihren Familien ergibt sich da doch ein erfreuliches Kundenpotential.

Na gut, ich mache dir ein Angebot. Von jedem von mir gebackenen Keks verkaufe ich der Reiseagentur drei Prozent Dachdeckerarbeiten, die dann als Spartenleiter während der Sportwoche die Theke machen. Oder so ähnlich. Auf jeden Fall Geben und Nehmen. Unterwürfigst: Dein allerletztes Mitglied ohne Ehrenamt.

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