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Nicht bei einer Cola

Erst leicht, dann bleiern schwer: Willard Carrolls „Playing By Heart“  ■ Von Thomas Klein

Über die Liebe zu reden, erklärt die „flippige“ Schauspielschülerin (Angelina Jolie) zu Beginn, sei so unmöglich wie „über Architektur zu tanzen“. Joans Sinnspruch, wohl eher dem Ikea-Philosophie-Sortiment entsprungen, hält in „Playing By Heart“ indes niemanden ab, zwei Stunden lang über Liebe und Beziehungen zu reden. Ist wohl doch nicht so schwer.

Der Film läßt sich zunächst ausreichend interessant an als kunterbunter (Prominenten-) Reigen, der die zahlreichen ProtagonistInnen und ihren emotionalen Status quo einfängt. Die Theaterschülerin findet in der Disco Gefallen an einem verschlossenen Jungen (Ryan Phillippe), während sich eine Mutter (Ellen Burstyn) um ihren an Aids sterbenden Sohn (Jay Mohr) kümmert. Zwischendurch betrügen zwei Eheleute (Madeline Stowe, Anthony Edwards) ihre Partner mit unverbindlichem Sex, zweifelt die verletzliche Regisseurin (Gilian Anderson) an Männern im allgemeinen und einem perfekten Exemplar (Jon Stewart) im besonderen. Die ältere Generation – er (Sean Connery) vor dem Tod durch Hirntumor, sie (Gena Rowlands) eine erfolgreiche TV-Köchin – diskutiert teils giftig, teils melancholisch ihre Beziehung durch und aus.

Das alles kennt man, wenn schon nicht aus dem Leben, dann doch wenigstens aus dem Kino, aber die erste Hälfte von „Playing By Heart“ funktioniert dennoch recht gut. Die fragmentierte Erzählstruktur zeigt ein Kaleidoskop der Gefühlszustände, und wenn der Junge mit den blauen Haaren vorübergehend die gesprächige Bekanntschaft abserviert, klingt das sogar recht klug: „Ich erzähle meine Lebensgeschichte nicht bei einer Cola!“

Dann bekommt der Film einen anderen Tonfall: Was eben noch leicht klang, wird plötzlich bleiern schwer („Ich kann dich nicht lieben, weil ich dich liebe!“), alle Möglichkeiten ernsthafter Beziehungsauseinandersetzung werden zugunsten blumiger Lenor-Gefühle verbaut. Und man merkt, wie schonungslos der Film auf eine (typisch amerikanische?) Emotionalität zugeschnitten wurde, wo ewiges Verbalisieren der Gefühle vielleicht echte Emotionen verdrängt, aber doch zum Happy-End führt. Das, eine Beleidigung für das Publikum, alle Erzählfäden allzu sauber zusammenführt. Sicherlich unterhalten Connerys Clownereien und Dennis Quaid gibt gute, tiefsinnige Momente, wenn er durch den Film streunt und unbekannten Frauen offenbar erfundene, todtraurige Geschichten erzählt. Schlecht ist „Playing By Heart“ nicht (alle Handwerksleistungen werden professionell ausgeführt), aber perfide. „Das ist wieder so ein Film“, meinte eine sehr kluge Kollegin während der Vorführung, „in dem die Typen auf der Leinwand sagen, was die Frauen im Publikum hören wollen.“

Wettbewerb: „Playing By Heart“, Regie: Willard Carroll. Mit Sean Connery, Gena Rowlands, Madeleine Stowe u.a., USA 1999, 121 Min.; Heute, 15 Uhr Royal, 20 Uhr International, 23.30 Uhr Urania

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