: Sonderanträge für Kuscheltiere
Als Hamburgs Gleichstellungsbehörde 1979 gegründet wurde, hielten viele sie für eine vorübergehende Zeiterscheinung. Jetzt wird der 20. Geburtstag gefeiert ■ Von Karen Schulz
Ihre Vorbilder mußten sich die Frauen in den USA und in Skandinavien suchen. Dort gab es schon Ende der siebziger Jahre staatliche Institutionen, die Frauen im Kampf gegen Diskriminierung unterstützten. In Deutschland jedoch waren politisch engagierte Hamburgerinnen die ersten, die eine „Leitstelle für die Gleichstellung der Frau“ forderten – und bekamen. Die SPD in der Hansestadt, allen voran Bürgermeister Hans-Ulrich Klose, löste damit 1979 ein Wahlversprechen ein.
Nun wird die Leitstelle, die mittlerweile zum Senatsamt avanciert ist, 20 Jahre alt. Ein Grund zum Feiern – hielten doch vor allem männliche Politiker und Mitarbeiter der Verwaltung die Einrichtung bei ihrer Gründung für „eine vorübergehende Zeiterscheinung“, erinnert sich die erste Leiterin Eva Rühmkorf (siehe Interview unten).
Tatsächlich ist die Behörde auch heute noch weit davon entfernt, sich durch gar zu erfolgreiche Arbeit selbst überflüssig zu machen. Von den Themen der Anfangsjahre haben sich nur wenige „erledigt“. Die Situation von Frauen in der Arbeitswelt beispielsweise habe sich in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert, betont die gegenwärtige Gleichstellungssenatorin Krista Sager (GAL). „Die Aufgabe der Zukunft wird es sein, die Gleichberechtigung im Erwerbsleben durchzusetzen. Karriere darf nicht mehr nur männlich sein; Erziehungszeiten müssen auch für Väter selbstverständlich werden.“
Außerdem sind neue Aufgaben hinzugekommen; längst geht es in der Leitstelle nicht mehr nur um das Verhältnis zwischen Männern und Frauen. So gibt es seit 1998 erstmals ein Referat „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen“, das gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen in Hamburg angeht. Mit manchen Widerständen der Anfangsjahre haben die MitarbeiterInnen allerdings nicht mehr zu kämpfen. 1979 waren schon die Einrichtungswünsche des siebenköpfigen Teams um Eva Rühmkorf für die Verwaltung schwer zu erfüllen: Vom Spielzeug, das in der Kuschelecke die Kinder der Besucherinnen ruhigstellen sollte, bis hin zum farbigen Mobiliar mußten sämtliche Ideen mit Anträgen und Sonderanträgen durchgesetzt werden.
Den Arbeitsalltag bestimmten damals Fälle offensichtlicher Diskriminierung, die zuhauf an die MitarbeiterInnen herangetragen wurden. Themen wie Gewalt gegen Frauen standen politisch auf der Tagesordnung; gerade war 1978 das erste Hamburger Frauenhaus gegründet worden. Fragen wie die Diskriminierung von Prostituierten oder Migrantinnen mußten an die Öffentlichkeit herangetragen werden; außerdem galt es, eine eigene Frauenkultur in der Stadt zu thematisieren.
Die Umwandlung von der Leitstelle in das Senatsamt für Gleichstellung erfolgte 1991 – zusammen mit einer Erweiterung des Personalbestandes und der Ernennung einer Frauensenatorin. Letzteres war vor allem der Hartnäckigkeit der damaligen Leiterin der Einrichtung, Dr. Marliese Dobberthien, zu verdanken sowie dem öffentlichen Druck durch verschiedene Frauenverbände.
Die erste Senatorin, Traute Müller (SPD), betreute gleichzeitig die ebenfalls 1991 neu entstandene Stadtentwicklungsbehörde (SteB). Dort konnte sie erstmals das Hamburger Gleichstellungsgesetz anwenden: In der SteB wurden Personalplanung und Frauenförderung eng verzahnt. Mit Erfolg: 1998 waren 53,7 Prozent der MitarbeiterInnen weiblich. Dadurch, so die Hoffnung, werden in der Stadtentwicklung die besonderen Bedürfnisse von Frauen berücksichtigt – von der sinnvollen Anlage von Grünflächen und Spielplätzen bis hin zur Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr, die vor einigen Wochen in der Rathauspassage diskutiert wurde (taz berichtete).
1993 übernahm die parteilose Christina Weiss, damals schon Kultursenatorin, zusätzlich das Senatsamt für die Gleichstellung. Während sie in der Kulturbehörde den Etat für Frauenprojekte ausbaute, setzte sie in der Gleichstellungsbehörde künstlerische Mittel ein: Freche oder nachdenkliche Zitate auf Plakatwänden sollten helfen, Probleme von Frauen ins öffentliche Bewußtsein zu rufen und damit die gesellschaftliche Position der HamburgerInnen zu verändern.
Mit GALierin Krista Sager wurde 1997 die dritte Hamburger Frauensenatorin ernannt. Zur Feier der 20jährigen Behördenjubiläums lädt die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin an diesem Freitag, 5. März, „alle Frauen dieser Stadt“ ins Curio-Haus ein – um das zu feiern, was war und um anzustoßen auf alles, was noch kommt.
Literatur zum Thema: Brigitte Huhnke, „Eine starke Geschichte – Hamburg macht Frauenpolitik“, herausgegeben anläßlich des 20jährigen Jubiläums und erhältlich beim Senatsamt für Gleichstellung, Alter Steinweg 4
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen