: Plädoyer für den Fehleinkauf
■ Bei Werder Bremen gegen den VfL Bochum hat sich ausnahmsweise mal die hohe Kunst gegen das teutonische Fußwerk durchgesetzt aus dem Weser-Stadion Stefan Jenkel
„Die deutschen Fußballer scheinen alle aus derselben Fabrik zu kommen. Ich glaube, es ist ein Stahlwerk.“ Cesar Luis Menotti, argentinischer Weltmeistertrainer
Hohes Fußballgericht!
Für die Freunde teutonischen Fußwerks war das Urteil schnell gefällt: Zu dick, zu langsam und überhaupt! Echte Mentalitätsprobleme! Den pausbäckigen brasilianischenWunderknaben bewahrte bislang eigentlich nur das Etikett Hoffnungsträger vor der Höchststrafe: den Herrn Ailton Goncalves da Silva, der teuerste Fehleinkauf des SV Werder. Immerhin war am Freitag sehr anschaulich zu sehen, welche unterschiedlichen Qualitäten Neueinkäufe haben können. Hier der rustikale Spieltypus des Hamburger Neuzuganges Weetendorf in der Tradition des Horst Hrubesch, dort der filigrane Techniker Ailton – allein die Ballbehandlung ein Genuß. Aber die beiden hatten ja auch verschiedene Einkaufspreise.
Sieht man die unterschiedlichen Fertigkeiten der beiden Spieler, dann ist die Differenz ja wohl gerechtfertigt. Nun sind die Geschworenen auf den Tribünen in Bremen immer schnell dabei, solch technisch versiertes Spiel als brotlos einzuschätzen. Schließlich hat es ein Cardoso auch nicht geschafft, und Baiano war auch immer umstritten. Bremen ist eben nicht Leverkusen. Die Rehagelsche Tradition des ehrlichen Arbeiters auf dem Fußballplatz lebt hier fort und fort. Werder paßt eben ins gemeine deutsche Fußballerwesen. Klaus Augenthaler, in früherer Zeit befragt zum Kauf von Diego Maradona, hatte dazu nur ein verächtliches „Noch einer, der nicht deckt“ übrig.
Gerne erinnert man sich an die Geniestreiche eines Basler früherer Zeit in Bremen – als dieser bei Otto noch in Form war und noch nicht vom Weißbier physisch unterhöhlt. Nur: Gedeckt hat der eigentlich auch nie. Und der Gegner aus dem Tief im Westen hatte Freitag auch einen Spieler dabei, der von Deckungsaufgaben befreit war. Der hieß Buckley, und dem hätte man aus Fairneßgründen eigentlich vor dem Spiel eine Bleiweste verpassen müssen, so schnell war der.
Nun ist zum Glück der Trainer Felix Magath auch einer, der in seinem früheren Fußballerleben aus der Kategorie Techniker stammte und daher weiß, was man an solchen Leuten hat. Leider gibt es solcherart veranlagte Spieler bei Werder viel zu wenige, und die deutschen Kampfestugenden gelten nach wie vor als das Maß aller Dinge.
So ist noch immer erinnerlich, daß hier in Bremen ein technisch auf unterstem Niveau spielender skandinavischer Legionär als „Fußballgott“ gepriesen wurde. Dies lag allein daran, daß der in einem bestimmten Spiel gegen einen bestimmten Gegner ein Tor geschossen hatte. Da hört–s dann aber wirklich auf!
Hohes Fußballgericht, mal ehrlich: Als Fußball-Liebhaber sehe ich aber nunmal lieber die Künste eines Elbers statt eines Kirsten, eines Ze Roberto statt eines Struuuunz, eines Ailton statt eines Weetendorf. Frankreich gegen Brasilien ist mir allemal lieber als ein zeitgleiches Spiel Deutschland gegen Österreich. Wahr ist aber auf dem Fußballplatz auch: Tor ist, wenn der Ball drin ist, und wer ein Tor mehr schießt hat meistens gewonnen. Irgendwie schmerzlich, aber man muß Realist bleiben. Schließlich ist es ein ernstes Spiel, und es geht ums gewinnen. Jedenfalls in der Bundesliga. Um so schöner war dann einmal der Freitagabend: Weetendorf 0, Ailton 1. Irgenwie auch gerecht.
Dr. Stefan Jenkel ist Strafverteidiger in Bremen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen