Henning Harnisch : Schütteln und Backen
■ Brutal skrotal: Sport ist eine Frage der Eier, Bommeln und Nüsse, ihr faulen Säcke
Heute sind die Eier dran. Ich meine nicht die Eier vom Markt, die gerade jetzt, wo Ostern vor der Tür steht, wieder ihren alljährlichen Popularitätshöhepunkt erreichen und die man im nordamerikanischen Sprachraum so schön sonnig bestellen kann. Sitzt man im Frühstücksdiner und verspürt Appetit auf Spiegeleier, ordert man dort two eggs, sunny-side up, und die Sonne wird gleich mitgeliefert. Eine metaphorische Sonne, so bildhaft wie die sportlichen Eier, von denen hier die Rede sein soll.
Wird nämlich von Klöten, Nüssen, Klickern und Bommeln gesprochen, sind wir schon bei einem, genauer gesagt zwei dicken Eiern und einer haarigen Angelegenheit: Läßt sich den Glocken, die da baumeln, neben dem Eierwettlauf ein sportlicher Stellenwert zuschreiben? balls sind nicht gleich balls, daher ist es angebracht, sich vorsichtig an dieses heikle Thema heranzutasten und zu fragen: Wer kam zuerst, die Bälle, die das fiese Wort Hoden umschreiben, oder die Bälle, die in den Stadien dieser Welt durch die Luft fliegen? Diese Frage läßt sich schwer beantworten. Auch Winkelmann, der im Grimmschen Wörterbuch zitiert wird, hilft mit der lakonischen Bemerkung, „unter den Hoden ist allezeit der linke größer“, nur bedingt weiter. Da möchte man hinzufügen: Und Bälle und Eier gibt es auf der ganzen Welt, die Sprache des Skrotums ist eine internationale. Ein Esperanto mit Finesse, klickerten die Briten doch gleich mit einem Ball, der ein Ei war, und nannten dieses charmante Spiel dann Rugby. Die besten der Gentlemen, die diesen Hooligan-Sport ausüben, werden selbstverständlich skrotal gewürdigt: „Rather misty today, isn't it? How ballsey!“. „Bälle haben“ ist für britische Verhältnisse noch dezent-organisch formuliert , auch seine Innereien liebt der Brite und sagt: „Quite foggy, isn't it? He's got guts!“ „Guts“ sind die Eingeweide, und Eingeweihte sprechen sie denen zu, die besonders mutig mit den Eiern spielen.
Harmlose Eier im Vergleich zu denen, die in den Umkleidekabinen dieser Welt sprachlichen Unterschlupf gefunden haben. Wenn Trainer beweisen möchten, wie einfach doch Leben und Sport sind und welche Qualitäten letztendlich über Sieg und Niederlage entscheiden, werden die Murmeln richtig wichtig. Dann geht es ans Eingemachte. Es wird archaisch. Das Ritual besagt, daß, wenn neumodischer Trainingsmethoden-Schnickschnack keine Wirkung zeigt, die Trainer die Eier – natürlich nur im übertragenen Sinne – auspacken und auf den Tisch legen. Und solange über die existentielle Bedeutung der Nüsse im Spiel dozieren, bis nicht nur in Südeuropa, dem amtlichen Sitz der Taschenbillardspieler, jedem Ragazzo klar ist: Sport ist eine Frage der Eier.
Jetzt sollte es auch der letzte eierlose Geselle begriffen haben, warum laut Vorurteil der Südeuropäer die Hand am Sacke so liebt. Er ist im zweifelsfalle Fußballspieler und muß sich nach der Trainerschelte seiner Klötze vergewissern. Besonders stolze Sportler werden aber jede Anzweiflung von Manneskraft nicht unbeantwortet lassen. Als der damalige Trainer von Real Madrid, der Holländer Guus Hiddink, von seinem stolzen italienischen Spieler Christian Panucci „weniger Ferrari“ und mehr cojones (die umgangssprachlichen spanischen Eier) einforderte, erwiderte dieser, daß er keinen Sportwagen dieser Marke habe, „von dem anderen aber eine ganze Menge“. Wahrscheinlich liegt in der Anwendung der Murmelmetaphorik eines der letzten Refugien der Trainerautorität. Guus Hiddink retteten sie aber nicht vor dem Rausschmiß. Denn, Panucci würde zustimmen, seine huevos, wie der Spanier seine richtigen Eier auch schwer wind- betont nennt, waren nicht lang, haarig und schwer genug.
Übrigens, wenn Sie hier Wiglaf Droste, den alten Kolumnen- Fuchs, erwartet haben, muß ich Sie enttäuschen. Dieser meinte vor zwei Wochen, Schütteln und Backen in klassischer Kaper-Manier an sich gerissen zu haben. Da hat er sich aber geirrt. Ich mußte ihm noch niemals mit Marburger Autonomen drohen, sondern habe sportlich fair gekontert. Kurz vor Ostern habe ich dem faulen Sack meine Eier gezeigt. Seitdem ist Ruhe im Karton.
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