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Gelegentlich einiger Lektüre ■ Von Susanne Fischer
Diese Kolumne ist heute wegen Krieges geschlossen. Über ihr weiteres Schicksal wird noch zwischen mir und meinem Unterhändler verhandelt. Falls ich meine Bedingungen erfülle, eröffne ich meine Kolumne eventuell wieder. Bis dahin lese ich und halte die Klappe, denn wenn man sie aufmacht, kann ja derzeit ziemlich leicht was Falsches rauskommen.
Ich lese zum Beispiel auf der Seite eins einer bekannten deutschen Tageszeitung von der „humanitären Nato-Intervention“, was meines Wissens soviel bedeutet wie „wohltätiger Eingriff“, aber ich lasse mich gern belehren. Man wird dieser Tage sowieso andauernd belehrt. Nein, es stand nicht in der Bild, es stand in der taz. Wo sie den Schöpfer dieses Wortluftschlags in den vergangenen Jahren aufbewahrt haben, weiß ich nicht. Ich hoffe aber, daß er in Zukunft nicht so schnell wieder entwischt. Die derzeitige politisch-militärische Entwicklung (falls man da noch von Politik sprechen kann) darf man nicht kritisieren, ohne zu hören: „Was wäre die Alternative? Na? Hm? Keine Antwort? Setzen, Sechs.“ Da muß es schon recht verzweifelt stehen, wenn ich mal gefragt werde, was so in der Weltpolitik zu tun wäre. Das ist jedenfalls das erste Mal, und vielleicht werde ich dann auch bald Bundeskanzler. Selbst eben noch zurechnungsfähige Leute fallen auf diesen Trick des Entweder-Oder herein, obwohl es ja andererseits auch – leider – nicht so ist, daß die Bombardierung bisher einen einzigen Albaner gerettet hätte. Oder habe ich irgend etwas verpaßt? Trampeln dagegen beispielsweise die Türkei und der Irak mal wieder auf den Kurden, die Iraner auf den Sunniten und Bahai herum oder sonstwer auf sonstwem, stellt sich die Entweder-Oder-Frage komischerweise nicht. Wahrscheinlich werde ich doch nicht Bundeskanzler, weil ich, wie sich jetzt erst herausstellt, das Wesentliche nicht verstanden habe.
Wo die deutsche Sozialdemokratie wie ein Mann zusammenscheißt, darf natürlich auch das Unternehmertum nicht fehlen: „Kampf-Preis-Offensive“ kündigt Möbel-Unger seine Serie von Attacken auf die deutschen Wohnzimmer an. Auch das sicherlich eine humanitäre Aktion, denn man kann „jetzt schnell zu Unger und richtig sparen“. Beinahe soviel, als wenn man nicht zu Unger geht „Eine neue Welt wird erobert – aber diesmal sind alle dabei!“ frohlockt dagegen die Telekom – weil Deutschland diesmal nicht allein über Serbien hereinbricht? Nein, man hat – ach, ist ja wurscht. Wer will das wissen, wo doch „auch die kleinsten Schützenmitglieder den großen beim Schwei-nepreisschießen in nichts nachstanden“, wie die Lokalpresse vermeldet. „Alle anwesenden Kinder nahmen stolz ihre Fleischpreise entgegen.“ Was will man mehr. Dazu paßt es natürlich auch, daß sich die PDS mit einer Unterschriftsliste gegen den Krieg in die Fußgängerzone eingeschlichen hat, um Telekom- und Unger-Kunden heimlich umzudrehen. Ein „empörter Passant“ verpaßte dem PDSler eine Ohrfeige. Backen müssen brennen für den Krieg! Die Geburtsanzeigen auf der letzten Seite melden die glückliche Ankunft von Pia-Prestige Heydrich. Alles wird gut. Aber wenn erst Tony-Tornado Göring das Licht der Welt erblickt, dürfte es an der Zeit sein, sich die Kugel zu geben.
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