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Die ewige Nummer zwei ist tot

■ Willi Stoph, der ewige DDR-Ministerpräsident, ist im Alter von 84 Jahren gestorben. Offiziell Regierungschef, war der blasse Apparatschik immer nur der zweite Mann des Staates

Berlin (taz) – Solange Willi Stoph im Amt war, konnte sich jeder sicher sein, daß es keine Veränderung geben würde. Der Mann, der schon Mitte letzter Woche verstorben ist, war Zeit seines Lebens die Versicherung für Kontinuität und gegen Überraschungen. Selbst als er Staats- und Parteichef Erich Honecker im Oktober 1989 zum Rücktritt aufforderte – „Erich, es geht nicht mehr. Du mußt gehen“ –, wollte er doch eigentlich nur seinen eigenen Kopf retten. Aber dafür war es zu spät.

Fast 40 Jahre war Stoph in Regierungsämtern. Originelle Gedanken waren ihm so fremd wie Reformansätze. Der Apparatschik blieb während seiner Karriere der zweite Mann, hinter Ulbricht ebenso blaß wie hinter Honecker.

Seine Biographie listet zahlreiche Posten auf, die er allesamt gleich farblos bekleidete: Er war Funtionär im Kommunistischen Jugendverband (KJVD), DDR- Innenminister, dann Verteidigungsminister. Nach dem Tod von Otto Grotewohl wurde Stoph 1964 DDR-Ministerpräsident. Offiziell Regierungschef konnte er in diesem Amt nur Entscheidungen vollziehen, die anderen getroffen hatten. Auf dem Posten blieb er, nach kurzem Intermezzo als Staatsrats

vorsitzender Anfang der 70er Jahre, bis zum 7. November 1989.

Dann trat auch er unter dem Druck der anhaltenden Demonstrationen und der Massenflucht mit seiner gesamten Regierung zurück. Einen Monat später wurde er für kurze Zeit wegen Amtsmißbrauchs in Haft genommen. Im Mai 1991 kam er erneut wegen der Todesschüsse an der Mauer in Untersuchungshaft. Zusammen mit Honecker und Mielke sollte ihm der Prozeß gemacht werden. Aus gesundheitlichen Gründen wurde sein Verfahren erst abgetrennt, dann eingestellt: wegen hochgradiger Verkalkung. dan

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